Dr. Max Nettlau

Eine biographische Skizze

Mit Auszügen aus seinen Schrifter?

Nachwort von Gustav Landauer.

Die folgende kurze Biographie versucht nur • die wesentlichen Ereignisse des Lebens Bakunins möglichst kurz und korrekt anzuführen, ohne sich auf eine Charakteristik desselben, eine Darstellung seiner Ideen, Schilderungen der vielen verschiedenen Milieus, in denen er lebte u. s. w., einzulassen. Sie dürfte sich von den vielen bisher gedruckten biographischen Skizzen durch den Versuch grösserer Korrektheit unterscheiden, indem stets die wirklichen Quellen, soweit irgend erreichbar, zu Grunde gelegt wurden. Dies geschah ausführlich in dem dreibändigen Werk „Michael Bakunin, eine Biographie" von Max Nettlau (London, 1896—1900), nach welchem diese kurze Skizze zusammengestellt ist; ein ausführliches ^Bum£"dieses "Werkes (in Buchform) ist in Vorbereitung.

3'....... Juni 1901.

Max Nettlau.

Ii:,-

Michael Alexandrowitsch Bakunin entstammte einer, im 17. Jahrhundert sicher nachweisbaren, russischen Adelsfamilie, welche die Tradition aus Siebenbürgen eingewandert sein lässt. Sein Vater wurde schon als Kind zur russischen Gesandtschaft nach Florenz geschickt, lebte dort und in Neapel im diplomatischen Dienst bis zum 35. Jahr, kehrte dann nach Russland zurück, wo er bald, vom Leben der Hauptstadt und der Hofkreise angewidert,' sich auf sein Gut zrückzog und im Alter von 40 Jahren eine 18 jährige junge Dame aus der Familie Muravieff heiratete, welcher Ehe elf Kinder entstammten, darunter M. B. als ältester Sohn (geb. 8./20. Mai 1814). und noch fünf Söhne und fünf Töchter. • Seine Jugend in seinem Geburtsort Prjamuchino, dem Gut und Dorf seines Vaters im Distrikt von Torzhok des Gouvernements Twer (nordwestlich von Moskau) beschrieb Bakunin in einem autobiographischen Fragment „Histoire de ma vieu, zuerst gedruckt in der „Societe nouvelle" (Brüssel, September 1896). Demzufolge war er aufs äusserste seinem Vater zugethan, einem gemässigt liberalen, aufgeklärten, wohlmeinenden Mann, der auch an einer der Dekabristengeseilschaften, ohne entdeckt zu werden, Anteil genommen hatte, der aber durch die Misserfolge aller freiheitlichen Bestrebungen, durch den trostlosen Anblick der russischen Wirklichkeit, auch wohl durch seine den humanitären Gesinnungen fremd und kalt gegenüberstehende Frau, schliesslich resigniert, skeptisch und äusserst vorsichtig wurde, so dass durch ihn wohl alle reaktionären Faktoren von M. Bakunin's Erziehung ferngehalten wurden, z, B. der Religionsunterricht in indifferentester Weise und ganz formell und ohne jede Wirkung gegeben wurde, während er es möglichst vermied, die Kinder mit den schon durch ihre Kenntnis allein aufreizenden wirklichen russischen Zuständen bekannt zu machen, z. B. mit der Leibeigenschaft. Er teilte den Kindern gerne Reisebeschreibungen mit, die auf M. B. grossen Eindruck machten, seine Phantasie anregten und ihn zum Ersinnen

Die folgende kurze Biographie versucht nur • die wesentlichen Ereignisse des Lebens Bakunins möglichst kurz und korrekt anzuführen, ohne sich auf eine Charakteristik desselben, eine Darstellung seiner Ideen, Schilderungen der vielen verschiedenen Milieus, in denen er lebte u. s. w., einzulassen. Sie dürfte sich von den vielen bisher gedruckten biographischen Skizzen durch den "Versuch grösserer Korrektheit unterscheiden, indem stets die wirklichen Quellen, soweit irgend erreichbar, zu Grunde gelegt wurden. Dios geschah ausführlich in dem dreibändigen Werk „Michael Bakunin, oine Biographie" von Max Nettlau (London, 1896—1900), nach welchem diese kurze Skizze zusammengestellt ist; ein ausführliches Äesutii^ "dieses Werkes (in Buchform) ist in Vorbereitung.

J u d i 1901.

Max Nettlau.

sv.:

U:

/ .r^^.jv.

\< -:

•r- >.

Michael Alexan drowitsch Bakunin entstammte einer, im 17. Jahrhundert sicher nachweisbaren, russischen Adelsfamilie, welche die Tradition aus Siebenbürgen eingewandert sein lässt. Sein Yator wurde schon als Kind zur russischen Gesandtschaft nach Florenz geschickt, lebte dort und in Neapel im diplomatischen Dienst bis zum 35. Jahr, kehrte dann nach Russland zurück, wo er bald, vom Leben der Hauptstadt und der Hofkreise angewidert,- sich auf sein Gut zrückzog und im Alter von 40 Jahren eine 18 jährige junge Dame aus der Familie Muravieff heiratete, welcher Ehe elf Kinder entstammten, darunter M. B. als ältester Sohn (geb. 8./20. Mai 1814). und noch fünf Söhne und fünf Töchter. • Seine Jugend in seinem Geburtsort Prjamuchino, dem Gut und Dorf seines Vaters im Distrikt von Torzhok des Gouvernements Twer (nordwestlich von Moskau) beschrieb Bakunin in einem autobiographischen Fragment „Histoire de ma vieu, zuerst gedruckt in der „Societe nouvelleu (Brüssel, September 1896). Demzufolge war er aufs äusserste seinem Vater zugethan, einem

Gemässigt liberalen, aufgeklärten, wohlmeinenden Mann, er auch an einer der Dekabristongesellschaften, ohne entdeckt zu werden, Anteil genommen hatte, der aber durch die Misserfolge aller freiheitlichen Bestrebungen, durch den trostlosen Anblick der russischen Wirklichkeit, auch wohl durch seine den humanitären Gesinnungen fremd und kalt gegenüberstehende Frau, schliesslich resigniert, skeptisch und äusserst vorsichtig wurde, so dass durch ihn wohl alle reaktionären Faktoren von M. Bakunin's Erziehung ferngehalten wurden, z. B. der Religionsunterricht in indifferentester Weise und ganz formell und ohne jede Wirkung gegeben wurde, während er es möglichst vermied, die Kinder mit den schon durch ihre Kenntnis allein aufreizenden wirklichen russischen Zuständen bekannt zu machen, z. B. mit der Leibeigenschaft. Er teilte den Kindern gerne Reisebeschreibungen mit, die auf M. B. grossen Eindruck machten, seine Phantasie anregten und ihn zum Ersinnen

■KV""":".' • < - ■■■■■ '

eigener Abenteuer,, ja, -wie man sagt, auch zu gelegentlichem Davonlaufen aus dem Elternhaus, um Abenteuer zu suchen, antrieben. So verbrachte er eine glückliche^ den Ernst des Lebens noch nicht konnende Kindheit.

In, drei Jahren (ca. 1829 bis 1832) absolvierte er dann die St. Petersburger Artillerieschule; über diese Zeit fehlen direkte Quellen, ebenso über die Ursachen, aus denen er nach erfolgreichen Studien nicht, wie es die Verbindungen seiner Familie wohl hätten erreichen können, zur Garde-

• artillerie in der Hauptstadt kam, sondern als Fähnrich in ein in Litauen, im Gouvernement Minsk, stehendes Regiment geschickt wurde.

Dort verbrachte er zwei Jahre in trostlosen kleinen Orten, die Unterdrückung der Bevölkerung nach dem polbischen Aufstand mit ansehend. Der „Dienst" hatte für ihn keine Interesse, er las viel und brach schliesslich seine Carriäre vollständig ab, indem er seine Charge niederlegte und die Armee verliess (1834). Dies konnte kaum den Intentionen seines Vaters entsprechen, doch ist irgendwelche Einflussnahme des Vaters auf M. B.'s weiteres Leben nicht äusserlich bemerkbar: er verbrachte die folgenden sechs Jahre (bis 1840) teils in Moskau, allein oder mit Freunden lebend, teils, im Sommer, im Kreise der Familie in Prjamuchino, teils (erst 1840) in St. Petersburg.

In diesen Jahren beschäftigte sich Bakunin leidenschaftlich mit Philosophie und trat in engste Verbindung . mit den vorgeschrittensten und sympathischsten jungen Russen der Moskauer und Petersburger Universitätskreise. Er vermochte es, die Systeme der einzelnen Philosophen mit äusserster Schärfe und Klarheit zu erfassen und mit seinen Freunden in hundertfältigen Diskussionen zu erörtern; er lebte in der Abstraktion und entfernte sich vom wirklichen Leben weiter als je. Er las französische Philosophen dos 18. Jahrhunderts, wie Condillac, als er im Frühjahr 1835 mit Stankewitsch in Briefwechsel trat und ihn im November 1835 kennen lernte; in regem Verkehr und anfangs enger Freundschaft mit ihm brachte - er die Winter von Anfang 1836 und 1836—37 in Moskau zu. Stankewitsch brachte ihn zum Studium von Kant und Fichte; M. B. wurde begeisterter Fichte-Anhänger und seine erste Arbeit, die gedruckt wurde, war eine . Uebersetzung von Fichte's „Einige Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten" („Teleskop", 1836). Auch .v jjelinski, der nach Stankewitschs früher Abreise (1837)

• B&chste und bedeutendste Freund Bakunins, glaubte damals •SSaa Fichte; er brachte , in dieser Stimmung einige von

M: ■. ; >. •..- -5. y --------

ihm mit Enthusiasmus geschilderte Monate in Bakunins Familie in Prjamuchino mit diesem zu (Sommer 1836). — Erst 1837 beschäftigte man sich mit Hegel's Philosophie, •welche bald einen heute in seiner Intensität unfassbaren Einfluss auf das ganze Denken, auf' alle Anschauungen dieser Kreise gewann. M. B.'s erste vollständige Arbeit ist eine Vorrede zu einer Uebersetzung von Hegels Gymnasialreden (,Mosk. Nabl.', 1838, März-April); die nächstfolgende der unvollendete Artikel „Uebcr die Philosophie" (,Ot Zapiski', vol. IX, 1840).

Im Herbst 18^0 wurde M. B. und seine Freunde mit Alexander Herzen und dessen Kreis, die aus der Verschickung in die Provinz nach Moskau zurückkehrten, bekannt, und es gab den schärfsten Zusammenstoss zwischen den Moskauer Hegelianern, welche den Grundsatz: alles bestehende sei vernünftig, weil es bestehe, auf die schändlichsten Erscheinungen der russischen Wirklichkeit auszudehnen sich nicht scheuten, — wie denn Bakunins erwähnte Artikel ganz reaktionär sind, — und dem Kreis Herzens: Freidenkern, Republikanern, mit dem französischen Sozialismus sympathisierend. Das Resultat war wohl, dass zunächst joder auf seinem Standpunkt blieb, aber doch durch den Einblick in den Ideenkreis des Gegners sehr gefördert wurde.

1840, nach einem Aufenthalt in St. Petersburg, bereitete Bakunin seine Reise an die Berliner Universität zum Studium der deutschen Philosophie vor. Er mochte daran denkon, später eine Professur der Philosophie in Russland zu erlangen: auf jeden Fall war es ihm ein Bedürfnis, dem thatenlosen Dahinleben ein Ende zu machen, das, wie er fürchtete, zum „traurigsten Unglück, der allmäligen Verflachung" führon musste. Etwa im Juli oder August 1840 reiste er aus St. Petersburg nach Berlin, wo er vom folgenden Wintersemester ab die Universität besuchte.

Seine innere Weiterentwicklung vom konservativen zum revolutionären Hegelianer lässt sich nur aus dem Resultat ersehen, das an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt. Den Professor Werder, der als beredsamer Darsteller des Hegelschen Systems damals so grossen Ruf gonoss, muss M. B. bald als oberflächlichen, vermittelnden Schönredner erkannt haben, der den Konsequenzen des Systems aus dem Wege ging. Ebenso sah er das vollständige Fiasco Schellings mit an. der im Winter 1841 bis 1842 seine pompös angekündigte reaktionäre Philosophie zuerst in Berlin vortrug. Hierüber erschien eine Broschüre „Schölling und die Offenbarun

(Leipzig 1842, anonym), welche nach einem Brief von A. Äuge an Rosenkranz (April 1842) von Bakunin ver-fasst ist, der damals schon in Dresden lebte. Ihre Schlussseiten zeigen zum ersten Male den revolutionären Bakunin, der für Feuerbach begeistert ist und in hinreissenden Worten, die zwar zunächst dem philosophischen Kampf gelten, aber uns vor allem das Temperament zeigen, das über die Ruhe der Abstraktion endlich siegte, auffordert . . unser Leben fröhlich ein(zu)setzen in dem letzten heiligen Krieg, dem das tausendjährige Reich der Freiheit

11 Entscheidung,

muss unser

sein." —

In Berlin hatte Bakunin eine Zeitlang mit Turgeneff zusammengelebt; er wurde mit Varnhagen von Ense bekannt, der seiner stets mit grösster Sympathie gedenkt. Im Sommer 1841 war er in Bad Ems. Wann er Berlin verliess, ist unbekannt; im Frühjahro 1842 war er bereits in Dresden, wo er mit Arnold Rüge und dessen Freunden, • der Gruppe dor radikalsten Hegelianor. im engsten Verkehr staud, auch sein Bruder Paul und Turgeneff waren eine Zeitlang dort und in dem Musiker Adolph Reichel aus Ost-Preussen lernte er einen wahren Fround fürs Leben kennen.

Einen entscheidenden Schritt bildete die Veröffentlichung der Abhandlung: „Die Reaktion in Deutschland. Ein Fragment von einem Franzosen", in Ruges „Deutschen Jahrbüchern" (17.—21. Oktober 1842), Jules Eiy8ard unterzeichnet, doch blieb Bakunins Autorschaft kein Geheimnis und die Möglichkeit, in Russland dozieren zu können, war dadurch — wie wohl längst schon durch Bakunins Verkehr mit den radikalsten deutschen Kreisen und wohl auch mit Polen — abgeschnitten. Der Artikel richtet sich gegen die halben und lauen Freunde, die vermittelnden Richtungen. Seine Schlussworte sind allbekannt, weniger die ganze Schlussstclle: „Lasst uns also dem ewigen Geiste vertrauen, der nur deshalb zerstört und vernichtet, weil er der unergründliche und ewig schaffende Quell alles Lebens ist. — Die Lust der Zerstörung ist zugleich eine schaffende Lust!"

Anfangs November 1842 kam Herwegh auf seiner Reise durch Deutschland nach Dresden und wohnte bei Bakunin. Wonige Wochen darauf muss Bakunins Lage eine unsichere geworden sein; er scheint russischen, zunächst nicht offiziellen Zumutungen, nach Russland zurückzukehreil, gegenübergestanden zu sein, und Sachsen, wo kurz darauf Ruges Zeitschrift unterdrückt wurde, bot

keine Sicherheit. So reiste er Anfang Januar 1843 von Leipzig mit Herwegh nach Zürich (über Strassburg).

In Zürich verbrachte er angenehme Monate in den Kreisen der damaligen dortigen deutschen Radikalen, um Julius Fröbel, August Folien u. a. Seine kampffreudige Stimmung zeigt der in den „Deutsch-französischen Jahrbüchern" (Paris, 1844) gedruckte Briof „B. an R.u (Bakunin an Rüge), Peterinsel im Bielersee, Mai 1843. Wir sehen ihn schon in dem Artikel vom Oktober 1842 voll Interesse am Sozialismus, doch mehr in philosophischer Form; welche sozialistische Richtung er zuerst kennen lernte/ ist nicht bekannt; doch sollen die Romane von George Sand, die damals unter dem Einfluss von Pierre Leroux stand, ihn sehr angoregt haben. In Zürich aber kam er in direkte Beziehung zu den deutschen Kommunisten der Weitlingschen Richtung und kurze Zeit zu Weitling selbst, und acceptierte wohl von nun ab (wie vielleicht schon in Dresden) den Sozialismus in seinon äussersten Konsequenzen, ohne aber in den damals so häufigen Fehler des Glaubens an ein bestimmtes System und dor Preisgebung der Freiheit zu Gunsten der Gleichheit zu verfallen. Soin Temperament und seine philoso-hpische Bildung liessen ihn an der Freiheit und der Revolution vor allem festhalten, sodass er den engeren Kreisen des Arbeiterkommunismus der Woitling, August Becker u. a. bald entwuchs, rosp. nie eigentlich angehörto, ebenso von Cabet keinen Eindruck erhielt, später von Marx nicht gewonnen wurde und erst mit Proudhon — mit Ausnahme von dessen philosophischen Anschauungen — sympathisierte. Kurz, man kann wohl sagen, dass, nach Verwerfung des konservativen Hegelianismus, der ihn von 1837—1840 fesselte, M. B. sich dem Wesen der Sache nach seinen bekannten späteren Ansichten rasch und sicher — ohne an einen Vormittelsstandpunkt je zu glauben — anschloss.

Mehrere anonyme Artikel Bakunins „Der Kommunismus" erschienen in FröbePs „Schweizerischem Republikaner" (Zürich, 2., 6., 13. Juni 1843). In der Nacht des 8.— 9. Juni war Weitling in Zürich verhaftet worden, und Bakunin musste damals schnell Zürich verlassen, wo ihn ja der berüchtigte Bluntschli durch volle Veröffentlichung seines Namens aus Weitlings Papieren (21. Juli) zuerst offen denunzierte, worauf der russische Gesandte in Bern sofort (24. Juli) von der Züricher Regierung Auskunft über Bakunin verlangte und so der Verfolgungsapparat gegen ihn zuerst offiziell in Bewegung gesetzt wurde. Bakunin war nach Promenthoux bei Nyon am Genfer See gereist, wo er im Hause des italienischen Flüchtlings Pescantini verkehrte; in den folgenden Monaten hielt er sich auch in Genf und in Lausanne auf, im Verkehr mit •deutschon Kommunisten und Anhängern des „Jungen Deutschland"; dann machteer eine Alpenreise mit Reichel und August Becker (Chamounix, Rhonethal, Gemmi, Meyringen, Grimsel etc.); schliesslich, im Oktober, kam er aus Nyon für den Winter nach Bern, wo er der mit Folien verwandten Familie Vogt sehr nahe trat. Er wurde aber im Februar 1844 von dem russischen Gesandten in Bern vorgeladen, der ihm den Befehl mitteilte, sofort nach Russland zurückzukehren; daraufhin zog er es vor, die Schweiz zu verlassen, und reiste um die Mitte Februar nach Brüssel.

.Dort sah er manche Polen, wie Lolewel, und nach Paris durchreisende russische Bekannte. Er selbst reiste, etwa im Mai, zum ersten Mal nach Paris und wieder, mit Reichel, gegen Mitte Juli 1844; diesmal blieben beide ganz dort.

In den nun folgenden Jahren lernte Bakunin die verschiedensten fortschrittlichen Kreise von Paris kennen, bewahrte aber seine Unabhängigkeit, und fühlte sich wohl am wohlsten in dem kleinen Kreis wirklich freiheitlich gesinnter Menschen wie Herwegh und seine Frau, auch Proudhon, später Herzen, sein Freund Reichel u. a., und etwa in der fröhlichen Gesellschalt der Naturforscher und Amateure in St. Servan bei St. Malo (Sommer 1845), die Karl Vogt geschildert hat. Er war mit dem Kreise des „Vorwärts" (Paris, 1844) nahe bekannt, zog sich aber wohl, ie mehr er französisches Wesen kennen lernte, von den Deutschen ausser den genannten persönlichen Freunden immer mehr zurück; das kleinliche Wesen Ruges, der im Niedergang begriffen war, und der seine glänzenden Fähigkeiten verdunkelnde gehässige Charakter von Karl Marx mussten ihm zeigen, dass die Revolution von diesen Kreisen von Philistern und Pedanten nichts zu erwarten hatte. Ich nenne nicht die vielen Franzosen, die er kannte, von denen fast jeder ein sozialistisches System für sich hatte; grössores Interesse bietet uns sein Verkehr mit Proudhon, mit dem er z. B. einmal eine die Nacht hindurch dauernde Diskussion hatte. Viele seiner russischen Freunde kamen nach Paris, 1847 auch Herzen und später der totkranke Belinski. Er schrieb wtnig, das gedruckt wurde; etwa einen Brief an die „Reform o" (27. Januar 1845), als er Ende Dezember 1844 in Russland verurteilt wurde, aller Rechte und alles Vermögens beraubt und lebenslänglich nach Sibirien geschickt zu werden — dies ist seine erste Aeusserung über russische Verhältnisse, und einen Brief an den „Constitutionel" (19. März 1846) über russische Gräuel - in Polen. Im Oktober 1844 schrieb er an einem „Expose und Entwicklung der Ideen Feuerbachs" (französisch), das nie erschien. Das waron interessante und lehrreiche Jahre für ihn, die aber doch abspannend wirkten, da die so sehnlich und sicher erwartete Revolution noch immer nicht kam. Bakunin kam ihr einon Schritt entgegen, indem er durch seine bekannte Rede in der Versammlung derPolen vom 29. November 1847 zum ersten Male in die0 Öffentlichkeit trat und dem offiziellen Russland seine Schmach und Schande ins Gesicht schleuderte. Die Folge war seine Ausweisung aus Frankreich (Dezember 1847), welcho der Minister Graf Duchätel, angestiftet durch den russischen Gesandten Kisseleff noch durch infame Beleidigungen zu verschärfen suchte, auf welche ihm Bakunin gebührend antwortete („Reforme", 11. 2. 1848).

• Er hatte sich nach Brüssel gewendet, wo er in polnischen Kreisen verkehrte und auch den Marx'schen Kreis wiedersah und einen unangenehmen Eindruck von demselben empfing. Er hätte sich wohl dort nicht lange halten können und nach London gehen müssen, wenn nicht die Nachricht der Pariser Februarrevolution ihn sofort nach Paris zurückgeführt hätte; seine ersten Eindrücke der neuen Revolution enthält ein Artikel, den damals die Pariser „Reforme" von ihm brachte. So war endlich die von ihm so lang ersehnte Revolution gekommen !

* *

*

Bakunins Pläne und Thätigkeit in den Jahren 1818—49 seien hier nur ganz kurz bohandelt, da ein etwas ausführlicheres Resume hiervon schon in den „Sozialistischen Monatsheften" (Berlin) von 1898 von mir veröffentlicht wurde. — Er sah von vorn herein, dass die eigentliche Revolution nicht in den momentanen Siegen vom Februar und März lag, sondern noch kommen musste, wenn nicht alles Errungene der sich so schnell wieder erhebenden Reaktion verfallen sollte. Er sah, dass dies nur durch Zusammenwirken der demokratischen Parteion aller Länder geschehen konnte, was die Reaktion durch Entfachen nationalen Hasses und nationaler Kriege zu hindern suchte. Als seine persönliche Aufgabe, der damals kaum ein anderer gewachsen war, betrachtete er die Revolutionierung der Slavon, ihren Anschluss an die europäische Revolution, statt dass sie, iqa Banne nationalen

Hasses, Werkzeuge der Reaktion wurden, wie es wirklich geschah. Diese Aufgabe war sehr schwer: ihm fehlte ein fester Stützpunkt, er musste sich alle Mittel und Helfer selbst schaffen, er war überall den ansässigen Demokraten, wenige ausgenommen, ein unbequemer Stör er, der sie hinderte, sich wieder ganz der Ruhe hinzugeben und einzuschlafen. So liegen denn von seiner Thätigkeit mehr Pläne und Versuche als Resultate vor; aber er bleibt eino der wenigen Personen, die 1848 vom ersten Moment an klar sahen und sich über die Illusionen und Irrtümer der Masse erhoben.— Nach einigen glücklichen Wochon in Paris, im Enthusiasmus der Februar- und Märztage, als von überall her Siege der Revolution gemeldet wurden, verliess er Paris, anfangs April, schon etwas enttäuscht und zunächst wohl mit dem Plan, sich der erwarteten polnischen Revolution anzuschliessen, um zu versuchen, dieselbe nach Russland solbst zu verpflanzen. Er reiste über Frankfurt, wo er eine Reihe deutscher Demokraten kennen lernte, Köln, wo er mit Marx und Engels wegen deren Beurteilung seines Freundes Herwegh definitiv brach, Berlin, wo ihn die Polizei zuerst beunruhigte, aber dann — es war ein Monat nach dem 18. März — in Ruhe liess, und Leipzig, wo er Rüge wieder sah, nach Breslau, einem Centrum der polnischen Bewegung, wo er an den von Dembinski organisierten Besprechungen der Polen, Anfang Mai, teilnahm. Sein Platz war dann auf dem Slavenkongrcss in Prag, Anfang Juni, wo er unter den ungünstigsten Verhältnissen — da die eigentlichen Macher des Kongresses nichts weniger als fortschrittliche Ziele verfolgten — für seine Ideen thätig war; vielleicht brachte er einige seiner Gedanken in das Manifest „an die Völker Europas"; seine ganze Auffassung zeigt uns der Entwurf „Statuten der neuen slavischen Politik", der nicht vor den Kongress gelangte; der Kongress wurde ja durch den Militärangriff, der zur Pfingstrevolution führte, unterbrochen. Bakunin war während der Pfingstwoche im Centrum der Bewegung, unter den Studenten im Clemen-tinum, thätig und verliess Prag etwa am 19. Juni, sich nach Breslau wendend. Iiier traf ihn die schändliche Verläumdung der „Neuen Rheinischen Zeitung" vom 6. Juli 1848, die von ihm durch einen von George Sand erhaltenen Brief völlig widerlegt wurde (vergl. „N. Rh. Z.", 16. Juli, 3. August und Marx im Londoner „Morning Advertiser", 2. Sept. 1853), die aber seine Thätigkeit momentan hemmte und störte. Seine innere Stimmung und intimste Auffassung der Lage zeigen mehrere Briefe von 1848 und 49 an Georg Herwegh (gedruckt in „1848",

München 1898); Anfang August schreibt er z. B.: „Ich glaube nicht an Konstitutionen und an Gesetze: die beste Konstitution würde mich nicht befriedigen können. — Wir brauchen etwas anderes; Sturm und Leben und eine neue, gesetzlose und darum freie Welt." Gegen Mitte Juli 1848 reiste er nach Berlin, wo er mit Polen, mit demokratischen Abgeordneten der Nationalversammlung und vielen Andern vorkehrte, auch Max Stirner kennen lernte und sich, durch gemeinsame Freunde veranlasst, formell mit Marx versöhnte. Etwa am 22. Sept. reiste er wieder nach Breslau und wurde am 6. Oktober aus Preussen ausgewiesen, ebenso am 9. Oktober, auf der Durchreise, aus Sachsen; er fand ein sicheres Asyl in der kleinen Oase der Freiheit von damals, in Anhalt, und wohnte bis Januar 1849 in Koethon und Dessau in den sympathischen Kreisen der Anhalter Demokraten, im Verkehr auch mit dem demokratischen Minister Habicht u. a. Dieso Monate der äusseren Ruhe benutzte er zur Herausgabe des „Aufrufs an dio Slavon" (Koethen, 1848); aber seine eigentliche Thätigkeit lag in der Konspiration, d. h. in Versuchen, die revolutionären Elemente verschiedener Länder für eine neue Bewegung im Frühjahr 1849 zu gewinnen. In welchem Umfange andere in diesem Sinn wirkten, ist nie klar geworden und die Processe verliefen ja ergebnislos; dass aber Bakunin alles Heil in einer solchen Verbindung der einzelnen Bewegungen sah und hierfür mit allen Kräften thätig war, ist sicher: desshalb wurde er auch die von der Reaktion meist gehasste und meist gefürchtete Persönlichkeit — und das nicht wegen utopischer Ziele, sondern weil er praktischer war als alle andern und die für die Reaktion gefahrlichsten Mittel: die Vereinigung der Kräfte der Revolution, zu handhaben versuchte.

Von Januar bis Anfang März 1849 lobte er im Geheimen in Leipzig, von wo aus er u. a. mit einer Reihe junger Tschechen in Prag konspirierte; es scheint auch, dass er, mit grosser persönlicher Gefahr, einmal nach Prag reiste. Man rechnete auf eine Erhebung in Prag, Teilnahme der tschechischen Landbevölkerung, vielleicht Zusammenwirken mit einem polnischen Aufstand, um der russischen Intervention in Ungarn zuvorzukommen. Später mussten dio Vorbereitungen wegen der deutschen Roichs-verfassungsbewegungen noch beschleunigt werden. Vom März ab wirkte Bakunin von Dresden aus, einem wichtigeren Centrum als Leipzig, und Roeckels Sendung nach Prag mit Bakunins unvorsichtigerweise von ihm aufbewahrten Brief vom 30. April 49 beweist die Realität der

Pläne Bakunins, wenn auch Roockels tatsächliche Erfahrungen in Prag die schwache materielle Grundlage derselben zeigen. Nach Ausbruch der Dresdener Revolution wurden in Prag Massenverhaftungen vorgenommen und viele Tschechen und Deutsche blieben, nach jahrelangen Processen, bis 1857 eingekerkert.

Bakunins Teilnahme an der Dresdener Mairevolution (3.—9. Mai 1849) ist allgemein bekannt1); er war im engsten Kontakt mit der provisorischen Regierung in entschlossener Weise Tag und Nacht thätig und verursachte den sächsischen Spiessbürgorn einen heillosen Schrecken. Er zog mit dem Rest der Maikämpfer am Morgen tles 9. Mai nach Freiberg, meist mit Heubner und Richard Wagner zusammen, auf welch letzteren Bakunin den grössten Eindruck gemacht hatte, und der ja selber in seinen Schriften aus jener Zeit die Anarchie offen anerkannte. In Freiberg, wo Bakunin einen letzten, wohl unmöglichen Vorschlag machte, sich nach Böhmen zu worfon, lösten sich die Freischaaren auf und Heubner, Bakunin und einige andere fuhren nach Chemnitz, wo sie anscheinend freundlich aufgenommen, aber in der Nacht des 9.—10. Mai von sächsischen Bürgern im Bett überfallen, gefangen und in Altonburg den preussischen Soldaten ausgeliefert wurden, welche sie im weiten Umkreis um Leipzig herum zur Eisenbahn und nach Drosden in die Frolinveste

brachten. Hier beginnen Bakunins Gefängnisjahre.

* *

*

Nach Einkerkerung in Ketten in der Dresdener Frohnveste und von der Nacht des 24.—25. Mai ab in der Neustädter Kavalleriekaserne wurden Bakunin, Heubner und Roeckel in der Nacht des 28.—29. August in die Festung Königstoin gebracht. Bakunins Stimmung zeigen einige Festungsbriefe an seinen Fround Reichel; in den Verhören gab er seine Ideen und Handlungen offen zu und verweigorte jode Aussage über andere. Am 14. Januar 1850 wurde das Todesurteil erster Instanz, am 16. April das zweiter Instanz verkündigt, Anfang Juni dasselbo in lebenslängliche Zuchthaustrafe umgewandelt, welche Heubner bis 1859, Roeckel bis 10. Januar 1862 durchmachten. Dem gegenüber war Bakunin's Schicksal fast günstiger; in der Nacht des 13. Juni 1850 an Oestereich ausgeliefert und im St. Goorg's Kloster auf dem Hradschin (Prag), seit März 1851 in Olmütz in härtester Haft gehalten und bestandig über die Prager Mai Verschwörung inquiriert, wurde er am IB. Mai 1851 zum Tode durch den Strang verurteilt, aber gleichzeitig zu lebenslänglichem schwerem Kerker begnadigt und bald darauf an Russland ausgeliefert, was er momentan freudig begrüsste; denn so schlecht wie in Oesterreich war es ihm nirgends gegangen.

Er wurde in den Alexeiravelin der Peter-Paul-Festung (St. Petersburg) gebracht; oin Process fand nicht statt und er wusste sich den Zumutungen von Geständnissen durch Abfassung eines allgemeinen, an Nikolaus gerichteten Briefes oder Memoire zu entziehen und wurde dann in Ruhe gelassen. Zu Beginn des Krimkriegs, 1854, wurde er nach Sohlüsselburg gebracht. Er litt am Skorbut, verlor die Zähne und gelangte, als er auch nach Nikolaus Tode nicht freigelassen wurde, in einen Gemütszustand, der mit Selbstmord hätte enden sollen, wenn es nicht seiner Familie gelungen wäre, im März 1857 seine Verschickung zur Ansiedelung nach "Westsibicrien zu erlangen.

So wurde er, nach einer Woche in St. Petersburg und einem Tage in seinem Geburtsort, im April 1857 nach Tomsk geführt. Hier und später in Ostsibirien war er zwar der Aufenthaltsbeschränkung und der Polizeiaufsicht unterworfen, aber im übrigen ganz frei, und er wusste sich bald eine Stellung und einen moralischen Einiluss zu verschaffen, wie sie politisch Verschickte wohl stets innerhalb engerer Kreiso, aber wohl nie in diesem Umfang gewannen» Wir sehen ihn im Verkehr mit Dekabristen und Petraschevcy (1848-er Verbannten), mit Polen und jungen Sibiriern, mit denen er dio Ideo der Voreinigten Staaten von Sibirien erörtern mochte; später beschäftigten ihn mit seinem Verwandten, dem Gouverneur von Ostsibirien, Graf Murawieff-Amurski, noch viel weitergehende Pläne, die uns, die wir dieao Personen nicht selbst kennen, fast unbegreiflich erscheinen müssen. Wir sehen Bakunin an verschiedenen Angelegenheiten Anteil und Partei nehmen, wo wir wünschen würden, ihn sich ganz fernhalten zu sehen; aber er folgte offenbar einem Zug seines Wesens, der ihm solche Abstinenz unmöglich machte, wie wir dies auch sonst vielfach sehen.

Murawieff - Amurski's Bemühungen um Bakunins völlige Begnadigung blieben erfolglos und letzterer suchte die Uebersiedelung nach Ost-Sibirien zu erreichen, und kam im März 1859 nach Irkutsk; er reiste dann im Dienst der Amur-Handelskompagnie in Transbaikalien (östlich Von Irkutsk); später erhielt er eine andere Stelle bei der Goldproduktion. Als Murawieff-Amurski Sibirien verlassen hatte, führte er 1861 seinen Fluchtplan erfolgreich durch; es ist jetzt bekannt, dass diese Flucht ihm keine physi-sehen Entbehrungen auflegte, aber an seine Geschicklichkeit, eine Reihe von Personen durch sein sicheres Benehmen zu täuschen, grosse Ansprüche stellte; er wusste bis zum letzten Monat, bis nach der Ankunft in Japan, seine Flucht den russischen Beamten und Schiffskapitänen als eino legale Geschäfts- und Studienreise hinzustellen, die ihn — nach Verlassen von Irkutsk am 5./17. Juni 1861 — den Amur hinab nach Nikolajewsk (2./17. Juli), dann erst südlich die Küste entlang, bald aber, durch "Wechseln des Schiffes, nach Hakodadi in Japan (August) brachte. Von dort nach Yokohama und am 17. September nach San Francisco, Californien (15. Okt); am 21. Oktober nach Panama, zu Lande nach Aspinwall, am 6. November nach New-York (15. November); am 14. Dez. nach Liverpool; am 27. Dezember 1861 Ankunft in London, wo er sich direkt zu Herzen und Ogareff begab und in deren Familienkreis, wo er des Abends unerwartet ankam, brüderlich empfangen wurde und ganz der Alte war. Schon in Japan hatte er einen Dresdener Maikämpfer, W. Heine, getroffen und war mit diesem nach San Francisco gereist, die Schiffsliste enthält seinen Namen. In San • Francisco und besonders in New-York traf er alte Bekannte usw., sodass seine Flucht sich unter glücklichen Verhältnissen vollzog. Seine Frau, Antonie, die Tochter eines Polen, die er 1858 in Tomsk geheiratet hatte, konnte erst im Frühjahr 1863 in Stockholm wieder mit ihm zusammentreffen. —

* * *

Bakunin suchte nun durch aufopfernde Thätigkeit nach allen Seiten hin, d. h. durch Appelle an so viele seit 1849 schlummernde oder erloschene und an neu entstandene revolutionäre Elemente, die verlorenen Jahre zu ersetzen. Garibaldis Zug nach Sizilien und Neapel, der bevorstehende polnische Aufstand, die Ausdehnung der radicalen Propaganda in Russland, dies und anderes kündigten eine neue Zeit der Bewegung an, wie die Sechziger Jahre es in der That waren, bis durch den Krieg von 1870—71 die grossen Staaten vorläufig definitiv constituiert wurden und die Reaktion eine neue und lange Periode Lebensfrist wieder gewann. M. B.'s Bemühungen Waren violfach erfolglos: unter den 48crn war er fast der einzige jung Gebliebene, und es dauerte Jahre, bis er eine Reihe meist jüngerer Leute voll und ganz gewann, und bis er unter den revolutionär gesinnten Arbeitern und der studierenden Jugend der Internationale die richtige Gelegenheit % zu einer Propaganda und Agitation fand, der die revolutionären Richtungen -von heute zum grossen Teil entstammen. —

Er lebte zunächst in London, wo ihn eine englische Arbeitergruppe begrüsste, er mit Mazzini, Saffi, Louis Blanc, Tahndier, Linton, Holyoake, Garrido und vielen anderen bekannt wurde, aber auch die Verläumdung der Urquhartschen Clique, der Marx nahe stand, ihn — wie schon den Gefangenen in den 50er Jahren — wieder zu belästigen versuchte. Ein wirkliches Zusammenarbeiten mit Herzen und Ogareff, dem Herausgeber des „Kolokol", war nicht möglich, und seine russischen Publikationen geben seine persönliche Auffassung, sein altes Programm wieder: so vor allem der Appell „An die russischen, polnischen und alle slavischen Freunde" (15. Febr. 1802), während die Brochure „Die Volkssache, Romanoff, Pugatscheff oder Pestel?" (wohl im Juli d. J. geschrieben) dem ihm praktisch erscheinenden Bedürfnis einer momentanen Situation entspricht (8. B.'s Brief an Herzen vom 19. Juli 1866).

Er suchte an allen Grenzen Verbindungen zur Einfuhr von Druckschriften nach Russland herzustellen, wurdo mit allen möglichen Slaven, Armeniern u. a. bekannt, kreuzte ein bischen Herzens diplomatische Bestrebung, die russischen Sektierer zu gewinnen durch zu offenes Benehmen diesen Leuten gegenüber, die nur nach ihrem eigenen Geschmack abergläubisch sein wollten u. s. w. Im ganzen eine etwas zu rasche Thätigkeit, die noch keine Resultate gebracht hatte, als dor bevorstehende polnische Aufstand für ein Jahr all seine Energie in Anspruch nahm.

Erst die polnische Frage führte Herzen und Ogareff mit Bakunin zu äusserliclier politischer Verbindung zusammen, indem Herzens Feder und Presse und Bakunins Persönlichkeit vereint erst eine Macht darstellten, mit welcher die polnischen Komites auf gleichem Fusse zu unterhandeln sich bereit fanden, zumal diese Londoner Emigration als Vertreter der russischen geheimen Organisation „Zemlja i Wolja" (,Land und Freiheit'), — die sich in der Folge als ziemlich chimärisch erwies, — und des Offizierkomites in der russischen Armee in Polen galt, welch letzteres einen Mann wie Andrei Potebnja zur Seele hatte, der für seine Sache zu sterben wusste. Von den vielen in diesen Angelegenheiten geschehenen Schritten erwähne ich Bakunins Reise nach Paris (August-September 1862), durch die u. a. eine Verständigung mit Mieroslawski herbeizuführen versucht wurde, welche Beziehungen aber schliesslich mit heftigster gegenseitiger Polemik ondeton; —* die Reise der Delegierten des "Warschauer Central-komites, Padlowski, Giller und Milowicz nach London (Ende September), welche die von den Russen gestellte Grundbedingung der Aufgabe des historischen Polens und der Autonomie für Litauen, der Ukraine und Weissrussland zustimmten, der Höhepunkt der freundlichen Beziehungen;

— Potebnjas Reisen nach London (von Bakunin 1870 in der Broschüre an die russischen Offiziere erzählt) u. s. w.

— Bald erkalteten die Beziehungen, indem die aristokratische Richtung in der polnischen Organisation die Oberhand gewann und vom Aufgeben des historischen Polens und der Rückgabe des Bodens an die Bauern nichts wissen wollte und sich durch die Hoffnung französischer Intervention hinhalten liess. Potebnjas Offiziersorganisation fand keine aufrichtige Unterstützung mehr, ebensowenig Bakunins Plan einer russischen Legion, den er z. B. in einem Brief vom 3. Februar 1863 dringend vertrat; das Körnitz teilte ihm schliesslich seinen Wunsch mit, seine Reise nach Polen und seine Thätigkeit dort zu verschieben (s. B.s Brief vom 9. Juli 1863). So konnten die Rassen nur für eine Diversion in Russland thätig sein und gesprochen wurde von Kosaken- und Sektiereraufständen, von der grossen Organisation „Zemlja i Wolja", vom Kaukasus und von Finnland, — abor es fehlte all diesem, sei es jede Grundlage, sei es die einfachste Initiative.

Bakunin musste in Folge dessen auf dem relativ günstigsten Oporationsterrain bloibon, das er sich ausgesucht hatte, in Schweden. Er war am 21. Februar aus London über Hamburg und Kiel nach Kopenhagen gereist, bereit, im Fall der Verständigung mit den Polen nach Russisch-Polen zu geben und kam erst, als er vergebens gewartet hatte, nach Stockholm. Von dort fuhr er, zu dem mit der polnischen Expedition Lapinski's am 22. März aus Southend abgefahrenen englischen Schiff „"Ward Jaokson" gerufen — er hatte mit der Vorbereitung der misslungenen Unternehmung nichts zu thun gehabt, (Brief vom 31. März 1863) — nach Heisingborg (26. März), dann auf diesem Schiff nach Kopenhagen und Malmö, von wo er am 31. März nach Stockholm zurückkehrte; eine Action auf diesem Wege erwies sich als durchaus unmöglich,, aber Bakunin, der that, was er konnte, die Schwierigkeiten zu Überwinden, ist mit diesem Fiasco in keiner Weise zu identifizieren. Seine Thätigkeit in Schweden bestand in Einwirkung auf die öffentliche Meinung, durch Schriften (im „Aftonbladet") und Reden (besonders am 28. Mai) und — wie er es stets zu thun pflegte — durch Verkehr mit den entschlossensten und sympathischsten schwedischen Kreisen, im Sinn wenn möglich eines schwedischen Krieges^

i?

»i

iA-sxr:

?v

n « 4 t • vii t «i 1-1 Ti % - f*m i a

/ * - —-~ —— — — • ---- - ^ " —

«dB

V>4

i..

gegen Rußaland, wobei er Finnland nebian Polen brachte. Privat knüpfte er viele Verbindungen an, mit Finnland und suchte stets, obgleich vergebens,' der angeblich vorhandenen Organisation in RusBland end* lieh direkt bekannt zu werden. All sein Enthusiasmus' > und der Optimismus, den er aus seinen öffentlichen-Aeusserungen sprechen liess, konnten nicht über das Fehlichlagen des polnischen Aufstandes und demzufolge aller weiteren Hoffnungen und Möglichkeiten täuschen und er musste am 29. August 1863 in einem Brief sagen: ; . Ja auch der beste Pole ist uns als Russen feind.tf . . * . Schon damals war er entschlossen, den Winter in Italien zuzubringen und im Oktober 1863 reiste er zunächst nach London und nicht lange darauf nach Italien. Hier endpt seine Periode slavischer Thätigkeit (1862—63); er muss^ das Unzureichende nationaler Bestrebungen, selbst als Mittel zu weiteram, sehen und von jetzt ab beginnt die vorbereitende Periode seiner internationalen Sozialrevolutionären Thätigkeit (1863-1867), der von 1S67—1874 seine offene Thätigkeit in diesem Sinne folgte.

*

Er reiste über Brüssel, Genf, Turin, Genua, Caprera (wo er Garibaldi besuchte), Livorno nach Florenz (Ende Januar 1864), überall alte Bekannte und die neuen Männer der Bewegung aufsuchend; trotz dos polnischen Misserfolgs fühlte er: „im Westen ist auch die Fluth der Reaction zuonde — es begann von neuem die Fluth der Revolution" (Brief vom 24. April 1864). Er lebte in Florenz im Verkehr mit Italienern (Dolfi, Mazzoni, Berti Calura u.a.), Russen (Metschnikoff u. a.), Polen, Ungarn usw., bemühte sich noch um manche polnische Angelegenheiten (Metschnikoffs Sendung zu Garibaldi etc.) und machte, wohl zuerst, den Versuch der Gründung einer geheimen Organisation (hierüber später).

Im Sommer war er im Seebad Antignano bei Li-Vorno und reiste später, «aus unbekannten Ursachen, im August nach Schweden, wo sein diesmaliger Aufenthalt; wenig Beachtung fand, dann im Oktober Über London; (wo ihn Marx besuchte und versicherte, ihn nie verleumdet •zu haben), Brüssel,. Paris (wo er Proudhon zum letzten

mk

/M

v>m

~ % * >

•l

Male sah), nach Florenz zurück, wo er noch bis zum 8ommer 1865 blieb. Den Sommer brachte er in Sorrenti feii.und kam Anfangs Oktober nach Neapel, wo er einiger Monarte, wie beabsichtigt, fast zwei Jahre bli "

:v. fbie September 1867), mit Sommeraufenthält in Isch

'. (1866, 6V). • "

. • • • «Iii

iBizifä6? i; • • • ' v Ä

km^^mämämrn^^m

..fv;

<

In Sorrent und Neapel lernte er eine Reihe jüngerer Männer kennen, die bereits an den italienischen Bewegungen teilgenommen hatten, wie G. Fanelli, C. Gam-buzzi, S. Friscia, A. Tucci oder noch jüngere, wie A. Dramis, S. de Luca, R. Mileti, später Carmelo Palla-dino u. a.; dazu kamen der Pole Waleryan Mroczkowski, die russische Fürstin Z. S. Obol enska, die die wesentlichste materielle Hülfe gab, u. a. Für Italien suchte er durch Gewinnung tüchtiger Elomente der Mazziniston und Garibaldianer zu wirken und stellte dem religiösen Patriotismus auf Bourgeoisgrundlage Mazzini's den atheistischen Internationalismus auf sozialrevolutionärer Grundlage gegenüber. Unbekannt sind mir seine ersten italienischen Publikationen im „Popolo d'Italia" (1865) und in fLiberta e Giustizia" (1867) und die erste Nummer der Flugschrift „La Situazione"; das Programm der italienischen Geheimorganisation (zirka 1866) lässt aber das eben Gesagte klar erkennen, ebenso sein Brief an Herzen vom 19. Juli 1866, endlich die ältesten Dokumente, die zu erwähnenden Freimaurermanuskripte und der revolutionäre Katechismus (1866?). Es lag ihm daran, um ungestört zu bleiben, diese Propaganda möglichst privat zu betreiben, war er doch beständigen Verleumdungen durch russische Anstiftungen ausgesetzt, — der Brandstiftungen in Russland, wie der Falschmünzerei in Italien, worüber u. a. sein Brief an Fanelli (29. Mai 1867) vorliegt. — Daher erschienen unter seinem Namen wohl nur zwei Erklärungen im „Kolokol" (15. Mai 1867) und er war ziemlich verschollen, was ganz seiner Absicht entsprach.

Die russische Bewegung war in diesen Jahren weit Über Herzen hinausgeschritten; dio Jugend, welche der Bewegung ihre ganze Existenz zum Opfer brachte, stand dem merkwürdigen Doppelstandpunkt Herzens, der einer-seits den Revolutionären gegenüber immer skeptischer, andererseits den geringsten sich liberal gehenden Massregeln der russischen Regierung immer gläubiger entgegentrat, kritisch und bald feindlich gegenüber. Dazu vermochte Herzen an den Aufschwung der westeuropäischen revolutionären Strömungen, besonders der Arbeiterbewegung keinen Glauben mehr zu gewinnen und stand vereinsamt, verbittert, ohne Hoffnung da. Bakunin hatte den Glauben an die Jugend und an das Proletariat, und sah hoffnungsfreudig der Zukunft entgegen. Die häufige gegenseitige Kritik beider im Briefwechsel, in der bisher Herzen manchmal Recht hatte, wird zu Gunsten Bakunins abgeschlossen durch den glänzenden Brief vom 19. Juli 1866, der — wie auch später, 22. Juni 1867 — alles versuchte, um Herzens Vorurteile gegen die junge Generation zu .zerstören — aber vergebens.

In Italien sah Bakunin nur einzelne Russen gelegentlich um sich; zu organisierter Propaganda schien sich •erst 1868 in Vevey uncr Ciarens eine Gelegenheit zu bieten, wo M. B. in Nicolas Joukowski und dessen Frau unbedingte Genossen, aber in N. Utin und dessen Anhang sehr laue Freunde und bald Feinde um sich hatte. Eine Druckerei sollte in Bern gegründet werden. Eine Nummer •der Zeitschrift „Narodnoe Delo" (nDie Volkssache") erschien (1. Sept. 1868), ganz von Bakunin und Joukowski geschrieben; der Bruch mit Utin und andere Verhältnisse', •die zu Bakunins Uebersiedelung nach Genf führten, machten seiner Teilnahme an dieser Zeitschrift ein Ende. Eine beabsichtigte Schrift in französischer Sprache „Die revolutionäre Frage in Russland und Polen" <1868), in der er sich auch mit den Polen über den letzten Aufstand auseinandergesetzt hätte, wurde nicht vollendet und blieb ungedruckt.

Seino wesentlichste Aufgabe aber sah Bakunin in folgender Thätigkeit: die intelligentesten, ehrlichsten und energischsten Männer, die in den freiheitlichen Bewegungen hervortraten, für sein engeres Programm zu gewinnen, ■das unbedingt atheistisch-anarchistisch-sozialistisch war, und ein geheimes (privates) Zusammenwirken dieser Männer zu organisieren, durch welches beginnenden Volksbewegungen eine revolutionäre, vor allem den Staat zerstörende Richtung gegeben werden sollte, die Bewegungen ■durch gleichzeitige Bewegungen in anderen Ländern unterstützt würden und so, wie er oft sagte, eine u n -sichtbare, unpersönliche (daher dem Ehrgeiz keinen Spielraum gobende) revolutionäre Diktatur geschaffen würde, dio ein Zersplittern, ein Abirren, eine Vereinzelung der revolutionären Kräfte verhindern würde. Dies der Grundgedanke seiner Bemühungen, die von 1864 bis 1874 nie ruhten. Alles beruhte aber auf persönlichen, privaten Beziehungen einer Reihe von Revolutionären unter sich, und was da an komplizierten Statuten und Programmen existiert, hat eine sekundäre Bedeutung, mag als Schwäche, sei es Bakunins, sei es derjenigen, für die sie bestimmt waren, aufgefasst werden, aber man <3arf nicht nach' denselben den Wert des Grundgedankens beurteilen, der vielmehr an der wirklichen Geschichte der Verbreitung der freiheitlichen Internationale in Italien und Spanien, in Südfrankreich und in der romanischen Schweiz -zu messen ist. -

Aus der, begreiflicherweise nur fragmentarisch er~

haltenen Geschichte dieser Bemühungen hebe ich hervor: * Bakunins Versuche, die Freimaurer zu gewinnen (Florenz 1864 * . .), wovon auch Manuskriptfragmente zeugen, aus denen ersichtlich, dass er damals seine Ideen so klar ausgearbeitet hatte, wie nur je später, etwa in „Dieu et l'Etat"; die Versuche blieben erfolglos und er ging selbstständig vor (Florenz 1864): zu den Italienern kamen bald Polen., und Franzosen; seine Reise von 1864 wurde zur Gewinnung von Mitgliedern benutzt. Festeren Boden fanden diese Bemühungen in Neapel und im Juli 1866 schrieb M. B. an Herzen von Genossen in Schweden, 'Norwegen, Dänemark, England, Belgien, Frankreich, Spanion und Italien, von Polen und einigen Russen. Erwähnt wird eine Reise Mroczkowskis für diese Ziele. In Manuskripten liegen vor ein ungemein ausführliches i Statut: „Organisation" und eine langeDarstollungderGrund-ideen der Gesellschaft („Catechisme revolutionairo"), — beide wohl von 1866; gedruckte italienische Programme und Statuten; ein kürzeros und wohl älteres Manuskript- ' fragment: „Programme de la Societe de la Revolution internationale." — Als Name erschoint einfach „la societe internationale revolutouaire" und als Bezeichnung der Mitglieder „frere international", weshalb für das ganze die gewöhnliche Bezeichnung „Fraternite internationale" sich bildete.

Es braucht kaum*erwähnt zu werden, dass dies alles stattfand, bevor Bakunin die geringste Berührung mit der Internationale hatte, in den Jahren, in welchen diese Gesellschaft noch ein äussorst schwaches Leben führte, in denen die Hauptpersonen des französischen Zweigs in Paris, die.Tolain,-Fribourg u. a. unter dem Verdacht des Bonapartismus standen, während Marx und seine deutschen Anhänger den alten autoritären Kommunismus vertraten ) und anderswo (Schweiz) der Bourgeois-Sozialismus a la Coullery blühte; nur in Belgien war man freiheitlichsozialistisch.

Daher konnte die Internationale bis zum Jahre 1867 auf Bakunin nur minimale Anziehung ausüben, zumal er Marx, seinen alten Feind, als Hauptperson derselben wusste. Er arbeitete also mit seinen Freunden für sich. Als für den September 1867 der allgemeine Friedenskongress nach Genf einberufen wurde, der die republikanischen und radikalen Elemente "Westeuropas vereinigen sollte, sah Bakunin in dieser Zusammenkunft eine günstige Gelegenheit, sowohl mit seinem wirklichen Programm zum erstenmal an die Oeffentlichkeit zu treten, als auch für die Zwecke seiner geheimen Gesellschaft viele neue Beziehungen anzuknüpfen, und so begaben er und einige seiner G-enosaen

eich im September 1867 nach Genf. —

* *

♦ •

Am Genfer Frieden&kongress (9.—12. September 1867) nahmen nicht nur, direkt oder durch Zustimmungserklärungen, die bekanntesten französischen und deutschen 48 er, die neue republikanische Generation Frankreichs (ausser den Blanquiston), die. Reste der deutschen Demokratie, Garibaldi und viele Demokraten anderer Nationen teil, sondern auch 26 der 64 Delegierten des Kongresses der Internationale in Lausanne, französische, belgische, schweizerische Sektionen, Mitglieder des Generalrats u.s.w.; aus prinzipiellen Gründen hielten sich fern Mazzini, Herzen und oin Teil der Polen. Bakunin hatte eine ausführliche Rede im Manuskript vorbereitet; thatsächlich sprach er am 10. September in freier Rede, und eine nachträglich xedigierte Fassung dieser Rede ist in den „Annalen" dos Kongresses enthalten. Seine Prinzipien resümierte er in dem Toast des Abschiedbankets in den Worten: f^deralisme-socialisme - antitheologisme, den Vorläufern der klareren Worte: anarchie-collectivisme-atheisme des Programms dor freiheitlichen Richtung der Internationale. Er wurde Mitglied des sich in Bern versammelnden permanenten Zentralkomites der neugegründeten Friedensund Freiheitsliga. Er und seine engeren Genossen, Joukowski, Mroczkowski, Naquet u. a. bemühten sich, die erwähnten Grundsätze, die in einer ausführlichen Bearbeitung („Proposition motivee . . . .u) dem Komitee vorgelegt wurden, vom Komitee der Ligue acceptiert zu sehen, was aussichtslos war; es wurde nur mit dem Druck des Werkes als „La question revolutionäre. F6d£ra-lisme, Socialisme et Antitheologisme" begonnen, der aber nach einigen Bogen eingestellt wurde (herausgegeben erst 1895 in den „Oeuvres" . . ., Paris). — Die Internationale nahm 1867—1868 einensehr bedeutenden Aufschwung, während die Ligue ein Scheinleben führte. Während sich die Bourgeoismitglieder mit dem Stillleben und den unterhaltenden Kongressen all solcher Friedensorganisationen begnügen wollten, wünschte Bakunin die ernsten Elemente der demokratischen Bewegungen mit der Internationale zu vereinigen und setzte thatsächlich durch, dass das am 1. Juni 1868 vom Zentralcomit^ acceptierte Programm der Mitglieder des .Berner Kongresses seine Ideen in allerdings äusserst abgeschwächter Form enthielt; ebenso erkannte ein confidentielles Zirkular die Bedeutung der Arbeiterbewegung vollständig an und wünschte, da$s die

Ligue-,)der politische Ausdruck der grossen oekonomisoh-sozialen Interessen und Prinzipien werde, welche heute so siegreich durch die grosse internationale Association der Arbeiter Europas und Amerikas entwickelt und verbreitet werden". Die Internationale als rein oekonomische Organisation, auf die Solidarität aller Arbeiter sich basierend und naturgemäss ohne jedes engere Sectenprogramm — neben ihr diese Ligue (wie später die Alliance) als Kampfund Propaganda-Organisation, mit dem revolutionären Programm Bakunins, — dies mochte das damalige Ziel sein, das ja auch in anderor Form später erreicht wurde. Man sieht aber, dass Bakunins Thätigkeit im Comite bis vor dem Berner Kongress der Ligue (September 1868) einen gewissen Erfolg hatte, indem seine Taktik der Ligue empfohlen wurde.

Der Kongress der Internationale in Brüssel votierte aber eine brüske Resolution, die die Existenzberechtigung der Ligue negierte und sie einlud, der Internationale beizutreten. Bakunin, der hierin sehr gut die Hand von Marx erkannte, betonte in einem Brief an den Präsidenten des Comite der Ligue die Notwendigkeit, nun erst recht sich auf rein sozialistische Grundlage zu stellen und sich ja nicht durch diese Impertinonz abschrecken zu lassen. In diesem Sinne verlangte er vom Berner Kongress der Ligue die Anerkennung der sozialen Frage als der Hauptfrage, die Anerkennung der oekonomischen, nicht nur der politischen Gleichheit (23. September); sein Antrag wurde abgelehnt und dies führte zum Austritt Bakunins und seiner Genossen (18 Mitglieder des Kongresses) aus der Ligue, nach Verlesung eines von Bakunin geschriebenen Protestes (25. Septeml^r), unterzeichnet u. a. von Elisee Reclu8, Joukowski, Mroczkowski, Aristiao Rey, V. Jaclard, Albert Richard, Fanelli etc. Die Austretenden gründeten die „Alliance internationale do la demoer atie socialiste." —

Bakunin verbrachte dieses Jahr in drei Wohnungen bei Vevey und Ciarens und reiste mehrfach nach Bern. Im Frühjahr 1868 erschien in einem Brief an die „Demokratie" (Paris) die bis dahin ausführlichste Darstellung seiner Ideen (von den italienischen Schriften abgesehen). 2) Einen Höhepunkt seiner litterarischen Entwicklung bilden wohl die Berner Kongressreden, besonders die gegen die Religion (24. September); auch über seine Auffassung der Nationalitätenfrage und über Russland sprach er in Bern (25. September). — Die „Fraternite war in Genf (1867) besonders durch französische Mitglieder und durch N. Joukowski verstärkt worden; letzerer war gewissermassen als Sekretär Bakunins während dieses Jahres in eifrigster Weise thätig und bestärkte Bakunin in seinem Entschluss, nur noch auf die Arbeiter (und die Jugend) zu zählen. —

Nach dem Austritt aus der Ligue schlug Bakunin den sich (in Bern) beratenden Mitgliedern der Fraternite vor. der Internationale einzeln beizutreten mit Beibehaltung der privaten' (geheimen) Beziehungen unter sich. Die Meinung der Franzosen und Italiener, dass dieser geheimen Verbindung eine öffentliche Organisation entsprochen solle, drang aber durch und so wurde die Alliance internationale de la deinocratio socialiste gogründet, welche als Körperschaft der Int. Arbeiter-Association beitreten, aber neben dem Programm jener ihr eigenes, atheistisch-anarchistisch-revolutionäres Programm und ihre eigene internationale Organisation (Zentralbureau in Genf) haben sollte.

Bakunin und mehrere seiner Freunde reisten dann nach Basset Dupraz (Ciarens), von wo Fanelli, Elie Reclus und Rey ihre Reise nach Spanien antraten, — dann nach Genf, wo sie der Zentralsektion der I. A. A. beitraten und auch Besprechungen über die geheime Organisation abhielten. Bald, am 28. Oktober 1868, wurde die Genfer Sektion der öffentlichen Alliance von 85 Personen konstituiert, von denen sich allerdings viele bald zurückzogen. —

Es ist unmöglich, ohne lange Auseinandersetzungen das über die Vorgänge in dem intimen Kreise, der Fraternite, vorliegende umfangreiche Material an Entwürfen, Briefen usw. auch nur einigermaassen zu resümieren und sich in kurzen Worten so auszudrücken, dass nicht neue Missverständnisse entstehen. Durch persönliche Differenzen wurde die nun einmal vorhandene und von Bakunin, wie derselbe 1873 konstatierte, nicht gewünschte Aufgabte zwischen Internationale und Fraternite, die öffentliche und die geheime Alliance einzuschalton, erschwert und wohl praktisch unmöglich gemacht. Es kam schliesslich, aber erst im Frühjahr 1869, dazu, dass die Fraternite aufgelöst

und ebenso die vom Generalrat nicht anerkannte öffentliche Alliance aufgegeben wurde und dann die intimen Genossen Bakunins Mitglieder der Internationale und in privaten Beziehungen unter sich, Alliierte, waren — also was B. selbst schon in Bern gewünscht hatte. Alles andere, war wohl nur Projekt und blieb rein auf dem ( Papier.

Eines aber lässt sich sicher nachweisen: was Marx in der Alliancebrochure (1873) an angeblichen Statuten mitteilt, ist chronologisch untrennbar von bestimmten von Bakunin selbst als Projekte bezeichneten Manuscripten — und diese liegen vor gewissen Beratungen in Genf „ und Chaponeyre im Januar 1869, die zu einer Trennung einiger von Bakunin führten und von diesem selbst sehr gering geschützt wurden, Marx hat also dio, man weiss nicht durch welchen Vertrauensbruch, in seine Hände gelangten Projekte für Statuten ausgegeben, ein Verfahren, so kritiklos, porfid und lächerlich, wie wenn etwa jemand die in den Papierkörben eines Kongresses auffindbaren nie angenommenen oder selbst nie diskutierten Anträge aller Art als Beschlüsse des Kongresses ausgeben würde, weil sie beginnen: der Kongress bescliliesst...!!!.

"Was Bakunin über das so viel entstellte Verhältnis von Internationale und Alliance (secr&te) dachte, sprach er in ausführlichster Weise nach allen Richtungen hin aus, z. B. in dem Brief an Albert Richard vom 7. Fobr. 1870 (Revue de Paris, 1. Septbr. 1896, pag. 126—7), in den in der Biographie angeführten Briefen, in die Romagna (23. Januar 1872), nach Spanien (ä Paulo, 21. Mai 1872; aux Freres de FA. en Espagne, 1872) u. a. — Dio I. A. A. sollte die .ökonomische Solidarität aller Arbeiter zum Ausdruck bringen und die Millionen derselben umfassen: würde dieselbe ein offizielles, politisches und sozialistisches Programm aufstellen, so würde sie mit einem Schlag zur Sekte von einigen Tausenden zusammensinken; dies darf nicht geschehen. Um diesen Massen aber eine revolutionäre Richtung aufzuprägen, muss eine bewusst revolutionär vorgehende Organisation innerhalb der Internationale und dieser unbekannt bestehen, die Alliance. Nur so können die unbe-wussten Massen, die nur erst zum Gefühl ihrer Solidarität durch die Internationale gebracht wurden, als revolutionäre . Kräfte wirken und zwar wird gleichzeitig durch den un- } sichtbaren Charakter dieser Organisation dem Ehrgeiz, der Autorität, der Diktatur entgegengewirkt. —

>

Vom Oktober 1868 ab wohnte Bakunin in Genf und

war nun bis zum Basler Kongress (Sept. 1869) für die Internationale in der romanischen Schweiz propagandistisch 'thätig. Ich erwähne die von ihm verfasste Genfer Adressö an die spanischen Arbeiter (21. Okt. 1868), seine Rede in der Volksversammlung vom 23. Nov. 1868, an den von ihm redigierten und im wesentlichen angenommenen Statutenentwurf der am 3. Januar 1869 in Genf konstituierten romanischen Föderation'der I. A. A.; an die bis zum Januar 1869 hauptsächlich von ihm redigierte Zeitschrift „Egalite", in der ausser kleineren Beiträgen die längeren Artikelserien: Les Endormeurs, h} Instruction integrale; La Montagne, Le Jugement de M. Coullery, Politique de ^Internationale, De la Cooperation erschienen, in donen er sich mit den psoudo-socialistischen Richtungen auseinandersetzte u. s. w., die Vorbereitung der Berichte an den Basler Kongress (sein Bericht über Erbrecht) u. s. w.

Ferner war er in den Versammlungen und Komite-sitzungen der Genfer Alliancesektion beständig anwesend und die erhaltenen und in der Biographie excerpierten Sitzungsprotokolle ermöglichen os, diose propagandistische und organisatorische Kloinarbeit im einzolnen zu beobachten; or vorfasste auch den Entwurf der Statuten der Sektion.

Endlich eröffnete er sich ein weites und ungemein sympathisches Agitationsgebiet durch mehrere Reisen in den Jura, wo er die überzeugtesten und ausdauerndsten Genossen fand. Im Februar und wieder Ende Mai 1869 reiste er in den Jura und schrieb auch dann eine Reihe Artikel im „Piogres" an Locle, die sich zu einer Darstellung seines ganzen Systems zu erweitern schienen, aber unterbrochen wurden. —

Der Basler Kongress bildet den Höhepunkt der Internationale als Gesamtorganisation; die in der Schweiz und in Südeuropa durch Bakunin, in Frankreich durch Varlin und seine Genossen, in Belgien durch de Paepe und andere geförderten freiheitlichen Strömungen überwogen auf dem Kongress und drängten die autoritären Ideen von Marx zurück. Im Gefühl dieser freiheitlichen Entwicklung gab man unbedenklich — und Bakunin befürwortete dies vor allen — dem Generalrat grössere Vollmachten, — ein schwerer Fehler, wie sich bald zeigte, da Marx diese ihm gegebene Macht in so trauriger "Weise missbrauchen sollte. Bakunin nahm an den Diskussionen über Erbrecht und über das Grundeigentum wesentlichen Anteil. ' -

Bald nachher, etwa am 30. Oktober 1869 verliess er Genf und reiste über Lugano nach Locarno (2. Nov.), das auf ihm sofort den angenehmsten Eindruck machte. Den, Umfang soiner Beziehungen zeigt eine Bemerkung zu Ogareff (Brief vom 23. Nov.): er korrespondiere mit 44 Personen und schreibe an 19 wenigstens einmal, zuweilen 2 bis 3 mal wöchentlich, an 6 unbedingt zweimal monatlich, an die übrigen mindestens alle 2 Monate. — Damals begann er, um Geld zu verdienen, mit grosser Mühe Marx' „ökonomische Metaphysik", wie er es nannte, „Das Kapital", ins russische zu übersetzen. — Iii der ersten Hälfte 1870 reiste er wiederholt nach Genf, aber in russischen Angelegenheiten: er war dort vom 12. März bis 11. April und wirkte auf die von den Jurassiern nach dem Kongress von La Chaux de Fonds getroffenen Maassnahmen durch Ratschläge ein, wie er sich überhaupt auf diesen Reisen meist in Neuchätel zu Besprechungen mit seinen Freunden aufhielt. In der zweiten Hälfte April war er in Mailand, im Mai wieder in Genf und so auch von Ende Juni bis nach der dritten Juliwoche. Doch war dio Lage in Genf damals so gespannt und die russischen Angelegenheiten absorbierten ihn so sehr, dass er, ausserhalb der Alliancesektionssitzungen, wohl nicht an öffentlicher Propaganda teilnahm.

Neben dieser Genfer und Jura-Agitation wirkte er nach mehreren anderen Richtungen hin. Ich kann nur flüchtig auf einzelnes hinweisen: auf die französische Bewegung — enge Beziehungen mit Lyon (Albert Richard) und Marseille (Andre Bastelica), aber auch mit Paris, weniger mit dem von ihm für unzuverlässig "befundenen Malon als mit Varlin, Paul Robin, Elis«e Reclus u. a. Sein Brief an die Versammlung in Lyon am 13. März 1870 rosumiert seine Ideen über die Taktik der Revolution in Frankreich. — Erwähnt sei, dass er in Belgien nie directe Genossen fand, obgleich er und dio belgischen Internationalen sich sehr freundlich gegenüberstanden und die Belgier damals ausnahmslos freiheitlich gesinnt waren; die Vorbereitung der revolutionären Action durch eine unsichtbare Organisation missfiel ihnen aber. — Für Italien begannAnfangl869eine von Neapel ausgehende Agitation, die dem Bakuninschen Kreis dort entsprang, aber bis Ende 1871 noch keine grössere Bewegung nach sich zog. — In Spanien aber blühte die durch die Reise Fanellis angeregte Internationale und mit ihr, von Anfang an, die . t spanische Alliance rasch auf, von Barcelona und Madrid ihren Ursprung nehmend und im Juni 1870 in Barcelona zur spanischen Föderation constituiert.

Kleinere Episoden, wie die Reise bulgarischer Revolutionäre zu Bakunin nach Genf (1869) und seine Ratschläge an dieselben übergehe ich. Unmöglich lassen sich in kurzen Worten die verwickelten russischen Angelegenheiten, seine Beziehungen zu S. G. Netschajeff, erörtern (1869—70). Man thut vor allem gut daran, alles hierüber aus zweiter Hand oder mit böswilliger Benutzung der Quellen (wie die Marxsche Alliancebrochure) geschriebene zu vergessen. Sicher bestand in Russland anfangs 1869 eine Universitätsbewegung mit einem Agitationskomitee, dem NetschajefT sehr nahe stand und ebenso sicher scheint dieser später in Genf Bakunin übertriebene Angaben über dieses Komitee gemacht zuhaben, und als er den Eindruck seiner Person und der so lang ersehnten Nachrichten über eine wirkliche Organisation in Russland auf den enthusiastischen Bakunin sah, wurde or — stets mit dem Wunsch, für die Sache zu handeln und wohl stets im Innern blanquistisch-terroristisch und ohne Interesse an edleren freiheitlichen Anschauungen, — allmälig zum Mystificator, der Bakunin und den schwachen Ogareff eine Zeit lang dominierte und dadurch aufs äusserste kompromittierte und missbrauchte, bis Bakunins in diesem Fall sehr grosse Langmut ein Ende hatte und er durchschaute, dass ihn N. nicht als Genosse, sondern nur als Werkzeug betrachtete. — Bakunin schrieb im Laufe dieser Agitationsperiode : „Einige Worte an die jungen Brüder in Russland" (1869). „Dio Wissenschaft Und die gegenwärtige revolutionäre Sache" (eine Brochüre, 1869), „An die Offiziere der russischen Armee" (Januar 1870), „Die russische Abteilung derinternationalon Alliance der sozialen Domokratio — an die russische Jugend" (circa Februar 1870); die ersten drei Schriften sind von Bakunin unterzeichnet, die letzte nicht, gehört ihm aber zweifellos an. Dagegen veranlasst mich die Prüfung und der Eindruck des Originaltextes aller anderen russischen Publicationen, auf die sich die Alliancebrochure bezieht, dieselben für Produkte Netschajeffs zu halten, der höchstens in wenigon Fällen Ideen Bakunins, die ihm. mündlich und schriftlich zur Verfügung standen, hineingearbeitet habon mag, etwa in den Bakunins Ideen entsprechenden Stellen über das Räuberwesen iri Rusaland. Sonst sind die meisten dieser Proklamationen etc. auf den ersten Blick als Bakunin unbedingt nicht angehörig zu erkennen, vor allem die Proklamation an den russischen Adel, mit der die Alliancebrochüre so empörenden Missbrauch treibt. — Bakunin schrieb damals auch mehreres in französischer Sprache über russische Angelegenheiten: über Herzens Tod (in der „Marseilleise"), „Briefe über die revolutionäre Bewegung in Russland", an Liebknecht gerichtet (im „Volksstaat", April 1870); „La Police suisse" (über NotschajefPs Verfolgung, im „Pr^gr&s", Loche, 19/ Febr. 1870); die leicht und beredt geschriebene Brochüre über die Preisgebungen des Schweizer Asylrechts: „Los Ours de Berne et rOure de St. Petersbourg" (Neuchatel, 1870) usw. Es bestand der Plan, in Genf eine umfangreiche russische Revue herauszugeben, deren Programm Bakunin in einem Brief an Lawroff vom 15. Juli 1870 entwickelt; dies war um die Zeit und wahrscheinlich nach dem Bruch mit Netschajeff, jedenfalls abor zu einer Zeit, als das Verhältnis zu diesem bereits unhaltbar geworden war. Daher wollte Bakunin mit Ogareff auch ohne Netschajeff die russische Propaganda fortsetzen, was vor allem durch das alle seine Pläne in eine andero Richtung lenkende Ereignis, den deutsch-französischen Krieg, gehindert wurde. Von diesem Moment an handelte es sich für Bakunin nicht mehr um Propaganda noch um Polemik,

sondern um Aktion.

* *

\

Während dieser Jahre der Propaganda, 1868—70, waren alte und neue Verläumder und Feinde thätig, ihm bei jedem Schritt Hindernisse in den Weg zu legen: die Marxsche Intrigue wuchs und gedieh und fand in den Genfer Politikern, in schmutzigen Strebern ä la Utin, in Hyänen des Journalismus a la Borekheim usw. ihre Helfershelfer. — Man kann unterscheiden: die offizielle Campagne durch autoritäre Chicanen des Generalrats und der Genfer Organisationen — und die offiziöse Campagne durch Lügen und Verläumdungen der Marxschen Leibjournalisten.

Der Generalrat wies am 22. December 1868 die Aufnahme der internationalen Alliance in die I. A. A. zurück, was formell correct war. Dieselbe löste sich als solche auf und ihre Sektionen lösten sich auf oder traten der Internationale als Sektionen dieser bei; dies that die Genfer Alliancesektion, welche der Generalrat als Sektion aufnahm (Brief von Ecchrins, 28. Juli 1869). Das Genfer Zentralkomitee wies abor die Aufnahme zurück (August), ebenso das Comite federal romand (September) und als die Majorität des romanischen Kongresses von La Chaux de Fonds (April 1870) die Alliancesektion aufnahm, verliess die Genfer Minorität den Kongress und von da ab datiert

dieSpaltung in die freiheitliche FederationRomandeV • seit November 1871 die Federation jurassienne, die sympathischste Schweizer Organisation, und in die bald versumpfende Federation Romande der Genfer Politiker. Diese letzteren rächten sich, indem sie am-* IB. August 1870 Bakunin, Joukowski und Perron — trotz Bakunins vergeblichem Vorlangen nach, einer formulierten Anklage und nach einem Ehrengericht, — aus der Genfer Zentraisektion ausschlössen. — Die „Egalite" war auch im Januar 1870 durch eine Intrigue der bisherigen Redaktion' entrissen worden und kam in die Hände des berüchtigten N. Utin, der sie den Genfer Politikern dienstbar machte.

Der General rat. ging hinter Bakunins Rücken gegen ihm vor durch das Zirkular vom 16. Januar 1870 und durch die sogenannte „konfidentielle. Mitteilung" (25. März 1870); gleichzeitig wurde durch Utin für Marx Material über die Alliance gesammelt — auf welche Weise — ist nie klar geworden; von welchem Wert! — ist oben gezeigt worden. —

In offiziöser Weise wurde Bakunin durch schmachvolle Artikel des S. L. Borckheim in der Berliner „Zukunft" und dem „Demokratischen Wochenblatt" Liebknechts (1869) verläumdet; Bakunin wusste auch, dass A. Bebel in einem Brief an J. Ph. Becker ihn als wahrscheinlichen russischen Agenten und als wahrscheinlichen Komplizen des „preussischen Agenten" von Schweitzer bezeichnet hatte (Bakunins Brief an Becker, 4. August 1869). Ein Ehrengericht des Basler Kongresses erklärte, Liebknecht habe mit schuldbarer Leichtfertigkeit gehandelt, als er diese Lüge aufnahm. Dieso Lektion hielt gerade 6 Monate vor, in welcher Zeit der „Volksstaat" sogar Bakunins Aufruf an die russische Jugend, abdruckte. Vom 16. März 1870 ab wird aber dem Borckheim wieder freies Spiel gelassen, der denn in vielen Zuschriften in ekelerregender Weise Bakunin, Herzen, Netschajeff u. s. w. begeifert. — Eine andere Masse von Lügen und Verdächtigungen, auf die Internationale bezüglich, brachte Moritz Hess im Pariser „Reveil" vom 2. Oktober 1869 unter. — Endlose Klatschereien brachten Utin und einige Genfer auf dem Kongress in La Chaux de Fonds vor (April 1870); u. s. w. — Wie diese Leute unter sich schrieben, zeigen Auszüge aus den an- den falschen Biedermann J. Ph. Becker gerichteten . Briefen von Marx, Frau Marx u. a., die R. Ruegg einmal in der „Neuen Zeit" veröffentlichte. —

Bakunin brannte die Feder oft-in der Hand, diesem '/ kleinen Gesindel ein für alle mal zu antworten, eigentlich : aber dadurch den Boden zu einem theoretischen Kampf

mit Ma,rz zu ebnen. Die Manuskripte eines Briefes an den „R^veil", die Korrespondenz hierüber mit Herzen und andere Aufklärungen in Briefen zeigen, wie oft er an einer derartigen Abrechnung schreiben wollte und doch hielt er sich stets zurück und schwieg, indem er sich gewisser-massen für Marx schämte, d. h. er schätzte dessen Nützlichkeit Tür die Bewegung noch so hoch, dass er sich nicht verzeihen konnte, ihn durch Biossstellung seines erbärmlichen Charakters dieser Nützlichkeit zu berauben. — Der Kampf vollzog sich also auf Marx Seite durch Gebrauch oder Missbrauch der ihm zur Verfügung ^ gestellten offiziellen Gewalt und durch vollständige Duldung der gemeinsten Handlungsweise seiner Anhänger und Freunde; jeder theoretischen Diskussion der Grundfragen — Freiheit, Autorität, Revolution, Politik u. s. w. — ging er aus dem Wege und die internationalen Kongresse, deren Licht und offene Erörterungen ihm nicht günstig waren, fanden 1870 und 1871 gar nicht und 1872 in einor Karrikatur eines Kongrossos statt. So bereitete Marx seinen formellen Sieg vor, während der thatsächliche Sieg, wie wir sehen

werden, der freiheitlichen Internationale zufiel.

* *

*

Der Ausbruch des deutsch-französischen Krieges drängte Bakunin unbedingt zur Aktion. Er sah voraus, dass diesem Kriege eine lange Periode des triumphierenden Militarismus folgen müsse, dass die Macht des Staates ins 'ungeheure wachsen würde und jene Verhältnisse eiserner Unbewoglichkeit, stagnierender Reaktion entstehen würden, die wir bis heute um uns sehen. Allen Möglichkeiten, welche die sechziger Jahre in sich trugen, allen Hoffnungen eines nach dem Sturz dos Empire von Frankreich wieder ausgehenden und diesmal sozialistischen neuen 93 oder 48 drohte ein sicheres Ende. Als das einzige Mittel dagegen erschienen Bakunin Volkserhebungen mit sozialistischem und staatszerstörenden Ziel während des Krieges. Statt wie alle Arbeiterparteien die entscheidenden ersten Wochen mit Friedensmanifesten zu vertrödeln und dann ihre Hände in Unschuld zu waschen, suchte er eine Bewegung wenigstens in Südfrankreich, Italien und Spanien anzuregen. Anders als durch allseitige dringende Anregung dieser Idee konnte er zunächst nicht wirken: so bemerkt er am 11. August, zu Ogareff, dass er in den letzten drei Tagen 23 lange Brief© geschrieben habe. In den nächsten Wochen konnte er • mit italienischen Freunden mündlich verkehren und schrieb für Frankreich eine Zusammenfassung seiner Ideen über die Lage in. einer Reihe von

Briefen, von denen ein Teil als „Lettre s ä un F.ran^ais sur la criseactuello" (September 1870) verkürzt als kleine Brochüre sofort gedruckt erschien. Lyon ergab sich als der wichtigste Punkt; der 4. September hatte die Möglichkeit eröffnet, in Frankreich selbst vorbereitend thätig zu sein, freilich unter den ungünstigsten Verhältnissen — und nachdem er den Lvonern die Not-wendigkeit schnellster Aktion dringend nachgewiesen und sie dazu aufgefordert hatte, stollto er sich selbst ihnen zur Verfügung. Dies wurde acceptiert un^d er reiste im zweiten Drittel des September von Locarno übor Bern, Neuchatel und Genf nach Lyon; es folgten einige Wochen der Vorbereitung, in denen er, trotz aller Enttäuschungen, stets nach allen Seiten anregend und alle Kräfte vereinigend, wirkte. Dann kam der 28. September, der Tag der Aktion, an dem auch Bakunins Gruppe vorübergehend die Oberhand gewann, aber der Tag endete mit etwas schlimmerem als einer blutigen Niederlage, mit einer Art friedlichem Rückzug und Versöhnung, die selbstverständlich einfach den Triumph der herrschenden Partei bedeutete. Dieselbe befolgte die Taktik, sich im entscheidenden Augenblick platt zu drücken und als dann die Revolutionäre momentan eigentlich keinen Widerstand fanden, verloren sie ihre Energie und wurden dann leicht wieder überrumpelt. Bakunin selbst war in einiger Gefahr; er war mehrere Stunden eingesperrt, wurde brutal behandelt und ausgeplündert und schliesslich von Gonossen befreit; für die Oeffentlichkeit galt er als der Sündonbock und mussto sich von da ab in Frankreich verbergen. Er verliess Lyon am 29. September und hielt sich dann bis gegen Ende Oktober in Marseille auf, wo die einer Bewegung sympathischen Parteion noch nicht gebrochen waren und sich ja thatsächlich im November erhoben. Noch von da wirkte er dringend anrogend, in Briefen nach Lyon —, bereit dorthin zurückzukehren —, und über seine Ziele und die Bedürfnisse der Lage aufklärend, in Manuskripten (über welche später) und auch in dem Entwurf eines Briefes an Esquiros (20. Oktober), von dem nicht bekannt ist, ob er abgeschickt wurde. Er verliess Marseille auf einem nach Genua fahrenden Schiff und kehrte von dort nach Locarno zurück, das er bis Mitto März 1871 nicht verliess.

Seine traurigen Erfahrungen überzeugten ihn aufs tiefste von der Unfähigkeit und Korruption der Bourgeoisie, sei sie monarchisch oder republikanisch oder pseudosozialistisch und bestärkten so dio Ueberzeugung von der Notwendigkeit der sozialen Revolution. Aber er erhielt auch Eindrücke, gegen welche er sich wohl sträubte und die noeh auf Jahre hinaus aus seinen Handlungen und Worten nicht ersichtlich sind: sein Glaube an die im Proletariat schlummernden revolutionären Instinkte und Leidenschaften, die nur des Beispiels und der Initiative einiger überzeugter Revolutionäre bedürfen, um erweckt zu werden, — dieser Glaube erhielt seine ersto tiefe Er-. schütterung. — Als ihm die Misserfolge in Frankreich dio Aktion unmöglich machten und ebenso die traurigen Verhältnisse der Bewegung in der Schweiz — Tntriguen in Gortf, tiefe Krise durch den Krieg im Jura — die Propaganda störten, warf er sich auf ein neues Gebiet, die theoretische Zusammenstellung seiner Ideen, welche ihm jenen Winter in Locarno beschäftigte. Dieser Plan nahm seinen Ausgaüg in einer aktuellen politischen Broschüre, die er im Oktober 1-870 schreiben wollte und deren erster Ausdruck eigentlich ein schon am 20. September an Palix in Lyon geschriebener Brief ist. Nach Erörterung der französischen Situation und einem, nicht gerado unparteiischen Ueberblick über die Entwicklung der Deutschen, — dieser Teil wurde allein damals veröffentlicht als „L'Empire knoutogermaniquo ot la Revolution socialo" (Mai 1871) — giog er zu einem kurzen Abschnitt „Historische Sophismen der doktrinären Schule der deutschen Kommunisten" über, dem dann aber die glänzenden Darlegungen folgen, die als „Dieu et l'Etat" (1882 herausgegeben) allgemein bekannt sind; ihnen folgen weitere Abschnitte ähnlichen Charakters, deren wichtigerer Teil 1894 und 1895 zuerst gedruckt • wurde. Dio Menge der verworfenen Manuskripte und Varianton zeigt, wie sorgfältig Bakunin dieses Werk ausarbeitete, das wie sein Vorläufer, PAntitheologisme (1867—68) ungedruckt blieb. Nach der Kommune mochte er an die Herausgabe eines weiteren Heftes denken, für das er eine „Vorbemerkung" schrieb, die — unvollendet — 1878 als „La Commune de Paris ot lanotion de 1'Etat" (Die Pariser Kommune und der Staatsbegriff") gedruckt wurde, doch erschien auch dies nicht. Dagegen hatte ihn diese sorgfältige Durcharbeitung seinor Gedanken über den Ursprung der Religion und des Staats gerade damals ganz besonders in Stand gesetzt, Mazzini, nach dessen Angriff auf den Sozialismus und die Kommune in Paris so schnell und mit den glänzendsten Waffen entgegenzutreten (sein Brief an die „Liberte" . von Brüssel, August 1871, dessen italienische Uebersetzung in Mailand erschien, der den Beginn der erfolgreichen Propaganda in Italien bildet).

Der erste Eindruck, den Bakunin von der Kommune von Paris erhielt, ist uns nicht bekannt; er befand sich damals vielleicht grade auf einer kurzen Reise nach Florenz^ Jedenfalls gab es auch für ihn eine Periode des Optimismus, in der er die damals besonders im Jura entstehenden Pläne, der Kommune zu helfen, förderte. Schon • am 9. April aber schrieb er an Ogareff, „ich selbst hatte Fieber geschwatzt, aber ich hörte auf. Ich sehe zu klar, dass die Sache verspielt ist." Er sah die Spaltungen in der Kommuno, die Teilnahmslosigkeit der Provinz voraus! Er wünschte vor allem, dass dio Pariser heroisch untergehen und die Welt vor eine ungeheure neue Thatsache stellen möchten, die den momentanen Sieg des Militarismus überdauert. Wenn er nach der Mitte April von Locarno nach Sonvillier im Jura reiste und von dort nach etwa drei Wochen nach Locle, wo er während der Maiwoche war, so geschah dies zwar auch, um im Fall einer günstigen Wendung möglichst nahe zu sein, aber ■ wohl auch, wie der Brief vom 9. April schliessen lässt, um vor Unternehmungen mit unzureichenden Mitteln, die dem Untergange entgegengingen, zu warnen.

Er hielt damals mehrere Vorträge in der Oentral-sektion des Distrikts von Courtelary (Mai 1871), die nach einer Abschrift 1895 gedruckt wurden; sie enthalten ein populäres Resuine seiner Ideen. In der ersten Junihälfte kehrte er traurig nach Locarno zurück, nachdem er und seine Freunde im Jura noch nach Kräften für die Rettung

von Communeflüchtlingen thätig gewesen waren.

* *

*

Während sich nun Bakunin bald mit vollen Kräften in die durch die Polemik mit Mazzini glücklich eingeleitete italienische Propaganda stürzt, bereitet Marx seine sogenannte Londoner Konferonz (Sept. 1871) vor, durch die - er den allgemeinen Kongress der Internationale, dem er mit schlechtem G-ewissen entgegensah, umgehen wollte.

Die Genfer Politiker hatten, nach Nachrichten aus London, bestritten, dass die Alliancesektion je in die Internationale aufgenommen worden sei und als dann aus London eine klare Antwort: ja oder nein, verlangt wurde, zogen Marx und seine Leute diese Sache monatelang hin. und es bedurfte einer drastischen Scene, die Paul Robin erzählt hat, um Marx zu veranlassen, zuzugeben, dass eine einfache Wahrheit durch ein j a ohne Umschweife konstatiert werde, was durch einen Brief von H. Jung an die Alliancesektion vom 25. Juli 1871 geschah. Hierauf. löste sich diese Sektion am 6. August freiwillig auf, um, wie sie

erklärte, nicht mehr als Zankapfel zu dienen. Die engere Ursache war die, die französischen Flüchtlinge, die mit den Prinzipien der Sektion sympathisierten, nicht in den Streit hineinzuziehen. Bakunin wurde hierbei nicht zu Bat gezogen; er protestierte gegen die Auflösung, in der er eine Erniedrigung sah und regte die schon 1870 diskutierte Abfassung eines Memoire über die Streitfrage in der romanischen Schweiz, die Entsendung eines Delegierten zur Londoner Konferenz und die schiedsgerichtliche Entscheidung des Streits durch den belgischen Föderalrat an; all dies geschah nicht, nur die Idee des „Memoire" ging nicht verloren; sie wurde schliesslich verwirklicht durch das im Frühjahr 1873 erschienene Memoire der Juraföderation. —

Es fehlt an Raum, die Entwicklung des Generalrats der Internationale zu schildern, der, seit 1864 aus denselben, sich durch Kooptierung ergänzenden Personen bestehend, ganz und gar ein Werkzeug von Marx war, dem die Deutschen unbedingt folgten, dem die Engländer die ihnen indifferenten kontinentalen sozialistischen Angelegenheiten völlig überliessen und der, auf eine solche sichere Majorität gestützt, eben nur ihm völlig willfährige Franzosen, also Personen sechsten und siebenten Ranges a la Serr-aillier oder Familienangehörige wie Longuet und Lafargue duldete. Dazu kamen nach .der Commune französische Flüchtlinge, von denen dio freiheitlich gosinnten eine unerträgliche Stellung im Generalrat fanden, während Marx sich gerade mit den alten Feinden der Internationale, den Blanquisten, von 1871 bis zum Haager Kongress, verbündete. Die Verhältnisse wurden selbst für alte Freunde von Marx, wie Hermann Jung, den Sekretär für die Schweiz, dann unerträglich, als hinter Marx Engels trat, der gegen 1870 aus Manchester nach London kam und als Auf hetzer und „Scharfmacher" wirkte und Marx an Intriguen und Gehässigkeit übertraf.

Der Generalrat nahm sich heraus, durch willkürliche Nichtabhaltung des Kongresses von 1871 die öffentliche Diskussion zu vermeiden und liess sich durch die aus 23 Personen, darunter 14 Mitglieder des Generalrats selbst, bestehende private Konferenz (17. — 23. September 1871) in Resolutionen, deren definitive Redigierung er selbst Übernahm, in allen schwebenden Streitfragen votieren, was ihm passte, auch einen Schritt weiter dahin machen, der Internationale die „politische Aktion", also ein Sektenprogramm aufzudrängen u. s. w

/Dieses skandalöse Vorgehen führte.endlich zu einem Öffentlichen Protest der freiheitlichen Richtung, angeregt durch die in Genf, etwa Anfang September, neu konstituierte -Section de propagande et d'action revolutionnaire socialisteu, der französische Flüchtlinge sowie frühere Mitglieder der Alliancesektion, besonders Joukowski, angehörten. Joukowski reiste Ende Oktober in den Jura, und nach verschiedenen Besprechungen (die Idee des Circulaire bestand bereits) wurde die Sachlage dem Kongress der romanischen Föderation in Sonvillier (Jura), 12. Nov. 1871, vorgelegt; dieser Kongress beschloss die Auflösung der romanischen Föderation und die Gründung der Juraföderation, die Herausgabe des zuerst in der Alliancesektion am 8. Juli 1870 angeregten Memoire, — und die Absendung einesCirculärs an alle Föderationen der Internationale, des bekannten und leichtzugänglichen Dokuments, der würdigen Antwort auf die Willkür des Generalrats. Es fand sympathische Aufnahme in französischen Sektionen, in Belgien, Italien, Spanien; nur wurde der Vorschlag der baldigen Abhaltung eines Kongresses durch die von der belgischen Internationale zu Weihnachten 1871 beschlossene Ausarbeitung eines Projekts neuer Statuten für die Internationale ersetzt — und der wesentliche Erfolg lag ja darin, dass nunmehr der Generalrat es nicht wagen konnte, den Kongress abermals zu unterschlagen, wie er es 1871 gethan hatte.

Bakunin hatte, wie er selbst erklärt, an der Abfassung dieses Circulärs keinen direkten oder indirekten Anteil, wie wir ja die Genfer, speziell Joukowski, dessen enge Beziehungen zu Bakunin aufgehört hatten, auch in der Sache der Auflösung der Alliancesektion selbständig und sogar mit einiger Rücksichtslosigkeit gegen Bakunin vorgehen sahen. Er begrüsste dasselbe auf das wärmste und machte sich zum eifrigsten Verbreiter und Erklärer desselben, besonders für Italien, worüber Manuskripte und Briefe in Menge vorliegen und für Spanien, mit welch letzterem Land gewisse momentane Differenzen entstanden, die bald beigelegt wurden und uns heute wesentlich als Beweis der Unabhängigkeit all dieser Gruppen unter sich interessieren, gegenüber dem Märchen von der Bakuninschen Diktatur, das die Marxisten — die sich eben nichts anderes vorstellen können — verbreiteren. Bakunin war auch mit den belgischen Resolutionen von Weihnachten 1871 zufrieden.

Er hatte stets die wirkliche Bewegung und die revolutionären Möglichkeiten im Auge und erwartete 1872 eine Bewegung zunächst in Spanien. Dem Ernst der Lage und den bevorstehenden Vorstössen der Reaktion gegenüber rät er den Italienern dringend an, in den zahlreich entstehenden öffentlichen Sektionen, Gruppen der • ent*-schlossensten . Elemente,.. eine geheime Organisation zu bilden; so in einem Brief vom März oder April 1872 (bald nach dem Tode Mazzinis). Für sich selbst wünschte er nur, unbeachtet zu bleiben und beabsichtigte noch immer, den gegen ihn beständig verbreiteten Verläum-dungen gegenüber, die, als Engels Sekretär des Generalrats für Italien und Spanien wurde, naturgemäss auch in diese Länder Eingang fanden, nicht öffentlich entgegenzutreten, sondern ein letztes Mittel der Versöhnung zu versuchen: einen privaten Brief an den Generalrat zu richten. Demzufolge suc te er sich durch einen Brief an A. Lorenzo in Barcelona (Mai 1872) authentische Auskunft über das gegen ihn auf der Londoner Konferenz Gesagte zu verschaffen. Wir sehen also, dass bis zum letzten Augenblick Bakunin seine persönliche Kränkung dem Interesse der Sache unterordnete und für die Oeffent-lichkeit schwieg.

Nicht so Marx, der eben durch den Leipziger Hoch-verratsprozess (Sitzung vom 16. März 1872) ein Glied seiner Intrigue, die „Confidentielle Mitteilung" vom März 1870 enthüllt gesehen hatte, und dem bei dem entschlossenen Vorgehen der Belgier, die er sich bis dahin gewogen gehalten hatte (indem er sich jeder Einmischung in ihre Angelegenheiten enthielt!), unheimlich wurde. Er ersetzte nun die bisherige Campagne durch Briefe von Engels, Serraillier etc. durch öffentliche Donunziationen; voran ging Lafargue, der in der Brüssler „Liberte" vom 6. Mai 1872 die Existenz der geheimen „Alianza" in Spanien denunzierte (Brief vom 12. April); einen Monat später erschien die vom Generalrat unterzeichnete Broschüre „Lea Pretendues Scissions dans 1'Internationale", in der Bakunin und soine Freunde in infamster Weise angegriffen wurden. Als Erwiderung erschienen eine Reihe von Briefen im „Bulletin" der Juraföderation (15. Juni 1872),, auch ein Brief Bakunins vom 12. Juni: er erklärt, die Regelung der persönlichen Angelegenheiten vor einem Ehrengericht des nächsten Kongresses zu erwarten; über die öffentlichen Fragen werde er noch vor dem Kongress eine Schrift veröffentlichen. Eine Veröffentlichung erfolgte nicht, aber es existiert ein umfangreiches Manuskript nAux compagnons de la F 6 d 6-ration des sections internationales du Jura", das einen nicht vollendeten Entwurf dieser Schrift darstellen dürfte.

Das belgische Statutenprojekt, das den Generalrat ganz abschaffte, wurde vom belgischen KongreBs (19. -und 20. Mai 1872) im Sinne der Beibehaltung eines aus — von den Föderationen gelbst gewählten — Delegierten bestehenden Generalrats modifiziert, und beseitigte die autoritären Befugnisse des Generalrats. — Der Jura-kongress (18. August 1872) gab den Delegierten der Föderation das imperative Mandat, auf dem allgemeinen Kongress für Abschaffung dos G. R. einzutreten, — mit den spanischen, italienischen, französischen und allen antiautoritären Delegierten solidarisch vorzugehen, und bei Nichtzulassung eines derselben den Kongress zu verlassen, ebenso, wenn der Kongress die freiheitliche Reorganisation der I. A. A. nicht acceptiere. Zu den Personen fragen sollten die Delegierten empfehlen: Vergessen des Vergangenen und für die Zukunft: Ehrengerichte und Ausschluss der Verläumder. Ein im „Bulletin" nicht gedruckter, aber in der „Favilla" (Mantua, 27. 8. 1872) veröffentlichter Punkt dieses Mandats bostimmt für den Fall des Austritts aus dem Kongress: Protest und Besprechung der antiautoritären Delegierten unter sich über den Ort eines Kongresses. — Diese Taktik gegenüber der vom Goneralrat am 18. Juni beschlossenen Einberufung des 'Kongrosses in den Haag — dem für die Londoner günstigst gelegenen Ort, an welchem Bakunint Erscheinen nicht zu befürchten war — dürfte in voller Uobereinstirnmung mit Bakunin, wenn nicht direkt von ihm projektiert, festgestellt worden sein, und in diesem Sinne suchten er und seine Freunde jedenfalls auf ihre Freundo in Italien und Spanien zu wirken.

Die italienische Internationale, die auch früher, trotz Bakunins Rat, kein Interesse daran zeigte, sich den dem Generalrat gegenüber bestehenden Formalitäten zu unterwerfen, ging aus eigener Initiative und aus wirklich revolutionärer Stimmung heraus über Vorschläge oder Ratschläge im Sinn einer solchen* Taktik hinweg und erklärte auf der Konferenz von Rimini durch die bekannte Resolution (6. August), jede Solidarität mit dem Generalrat zu brechen und forderte die antiautoritären Sektionen auf, sich zu einem antiautoritären Kongress in Neuchätel und' nicht im Haag am gleichen Tage zu versammeln. Diesen Beschluss geben die Marxisten als von Bakunin inspiriert aus, und Engels sieht darin den „Rückzug auf der ganzen Linie" (Brief vom 21. August 72). Nichts ist unrichtiger. Dass es zu einem Austritt aus dem Haager Kongress kommen, und dass der antiautoritäre Kongress in der Schweiz (Jura) stattfinden würde, lag allerdings nahe; aber den Haager Kongress garnicht zu besuchen, würde diese Taktik ihrer Wirkung beraubt haben. Vorhandene Briefe aus Italien (August 1872) zeigen auch, wie ungelegen eich diese Resolution erwies, und wie man Mittel suchte, ihr zu entgehen, ohne sie zurückzuziehen» Die Jurassier und Spanier beschlossen, unbedingt den Haager Kongress zu besuchen; die Italiener enthielten sich davon und kamen Anfang September in die Schweiz zu dem* antiautoritären Kongress, wobei verschiedene, darunter Malatesta, Bakunin zuerst kennen lernten.

Dies die Lage unmittelbar vor dem Haager Kongress.

* *

*

Bakunin war seit Juni 1871 in Locarno geblieben; seine materielle Lage war damals eine sehr schlechte und Anfang 1872 war er auch mehrere Wochen krank. Seit dem Frühjahr 1872 .mehrten sich seine italienischen und russischen Beziehungen; er wurde von Cafiero und einer Gruppe junger Russen in Zürich besucht. Von Ende Juni ab wohnte er in Zürich; Ende August war er wohl in Neuchätel, dann wieder in Zürich.

Einzelheiten der Propaganda im Jura übergehe ich. Seine hauptsächliche Thätigkeit betraf Italien und Russland.

Seit seiner Bekanntschaft mit Mazzini, 1862 in London, trennte ihn von demselben der schärfste Gegensatz in allen politischen, sozialistischen und religiösen Fragen: dem Unitarismus, Pseudo-Sozialismus und der Gottesschwärmerei Mazzinis standen der Föderalismus, revolutionäre Sozialismus und Atheismus Bakunins gegenüber. Als Mazzini in der „Roma del Popolo" die Commune und Internationale bekämpfte, besonders in dem Artikel „An die italienischen Arbeiter" (13. Juli 1871) trat ihm Bakunin in einer als Supplement zum Mailänder „Gazzettino Rosa" übersetzten „Risposta" (Antwort) entgegen (14. August),' deren Original in der Brüssler „Liberte" (18. und 19. August) erschien, eine seiner glänzendsten litterarischen Leistungen, derauch die in vielen seiner Schriften vermissten richtigen Proportionen nicht fehlen. Später erschienen eine „Risposta all' Unitk Italiana" („Gazz. R.", 10.—12. Oktober) und die vom September ab in Neuchätel gedruckte Broschüre „La Theologie politique de Mazzini et l'Inter-n a ti o n a 1 e". Mazzini, der übrigens bald leidend wurde und im März 1872 starb, erwiderte nichts wesentliches, aber seine Anhänger begannen gehässige, persönliche Polemiken gegen Bakunin, und der Hass zwischen Mazzi-nisten und Internationalen führte an einzelnen Orten, besonders in der Romagna, zu politischen Morden.

Aus Veranlassung des Arbeiterkongresses von Rom

(1. November 1871) - schrieb Bakunin eine längere Schrift „Ai miei amici d'Italia . . . .u, deren erster, da^ mals in Neapel besorgter Druck ganz verschollen ist; wieder gedruckt als „ 11 Socialismo e Mazzini" (Ancona 1885 und neuerdings, Imola 1901).

Eine grosse Zahl von Manuskriptfragmenten zeigt, wie Bakunin weitere Teile der „Theologie politiqueu erscheinen lassen wollte und hierin allmählich seine Gesamtideen untergebracht hätte, wie in dem im Winter 1870 bis 1871 vorbereiteten Werk. Doch unterbrach er die Polemik, wohl auch, weil ihr Zweck erreicht war, die Internationale in Italien einen sehr grossen Aufschwung nahm, und die Mazzinisten sich so reaktionär zeigten, dass sie nur noch als Feifade, nicht mehr als Rivalen des Sozialismus in Betracht kamen.

Wir besitzen ein umfangreiches Material übe* Bakunins italienische Agitation vom Sommer 1871 ab, die neben den alten Beziehungen in Neapel und Florenz an neue Beziehungen in Mailand anknüpften (besonders Yicenzo Pezza ist zu nennen); letztere führten zu Verbindungen nyt der Romagna, der Emilia, den Marche; Celso Cerretti in Mirandola (der manchmal ein Verbindungsglied mit Garribaldi bildete), L. Nabruzzi in Ravenna, später Andrea Costa in Imola und Bologna sind zu nennen. Die mehrmals unterdrückte Internationale von Neapel entwickelte sich aufs neue 1871—72, und Cafiero, seit seinem Besuch in Locarno im Frühjahr 1872, etwas später auch E. Malatesta, wurden engste Genossen und Freunde Bakunins. Dieser hielt es für wesentlich, an allen Orten einige intelligente und entschlossene Arbeiter oder junge Studierende zu gewinnen, denen er sein engeres Programm voll und ganz vorlegte; diese vereinigten dann die Masse der Arbeiter in .den Sektionen im Namen der ökonomischen Solidarität und wirkten dann, im allgemeinen propagandistisch und die energischsten für die engeren Ideen gewinnend. Diese „intimen Freunde", wie man sich ausdrückte, standen unter sich und mit Bakunin in steter Verbindung, und diese privaten Beziehungen wurden die „Alliance". In die Romagna gerichtete Briefe ermöglichen es, diese Agitation im einzelnen zu beobachten; der interessanteste dieser Briefe, an Celso Cerretti gerichtet (März oder April 1872) ist in der „Societe Nou-velle", Februar 1890 gedruckt; neben ihm steht der lange Brief vom 23. Januar („al Rubicone . . . .") usw. — Die einzelnen Vorgänge in Neapel, Sizilien, Turin, Mailand,'/ der Romagna, Florenz usw. können nicht erwähnt werden,v auch nicht die allmähliche Zusammenfaesung der Sektionen; • die durch die * Konferenz von Rimini (August 1872) vollendet wurde; nun bestand die italienische Föderation der Internationale, als deren erstes Organ im Oktober 1872 die in der Schweiz gedruckte „Rivoluzione sociale" erschien (2 Numpiern, für mich unauffindbar).

Das * Verhältnis zu Garibaldi war ein persönlich freundlicheres als das zu Mazzini, aber Bakunin unterliess nicht, das unzureichende des Standpunkts und der Haltung Garibaldis aufs schärfste zu kritisieren.

Erwähnt sei noch, dass der Marxismus in Italien eine unbekannte Grösse war, und dass die italienische Internationale, nach einigen Erfahrungen mit Engels als Sekretär des Generalrats, sich zuerst über den Formalismus in der Internationale .frisch hinwegsetzte, ganz gegen Bakunins eindringende Ratschläge, nebenbei bemerkt. —

Die Geschichte der spanischen Internationale, 1871—72, zeigt neben grosser Entwicklung der Sektionen und Gewerkschaften, die alle auf dem Boden des collecti-vistischen Anarchismus standen, den ohnmächtigen Versuch Lafargues, den Marxismus nach Spanien zu verpflanzen, was im wesentlichen durch eine Campagne von Intriguen gegen die „Alianza" und dann durch deren öffentliche Denunziation durch Lafargue, der unerhörte Drohungen von Engels folgten (Brief vom 24. Juli 1872), geschah! Hierdurch kam es zur Auflösung der bereits verratenen „Aiianza". Bakunins Beziehungen mit Spanien, am meisten wohl mit R. Farga Pellicer, eine Zeitlang mit G. Sentinion, mit T. G. Morago, mit Alerini (aus Marseille) später mit Vinas u. a., sind bei Fehlen der Briefe nicht im einzelnen bekannt: doch ermöglichen einzelne Vorgänge in Barcelona, Ende 1871, — dann die Entwürfe oäer Manuskripto von Briefen nach Spanien vom Frühjahr 1872, um von der Auflösung der .Alianzau abzuraten, — und anderes, zu sehen, dass Bakunins Einfluss in praktischen Dingen nur gering gewesen sein wird, wie weit auch die Solidarität in den Grundsätzen ging. — Auch in Portugal wurden die engeren Idei-n der „Alianzau verbreitet, von Spanien aus, und Bakunin selbst soll auch dorthin geschrieben haben; doch verfiel die portugiesische Internationale bald. —

Die russische Propaganda Bakunins war vom Sommer 1870 bis zum Frühjahr 1872 so gut wie unterbrochen, da die Affaire Netschajeff, über die nur sehr wenige gründlich unterrichtet waren, unendliche Missverständnisse verursacht hatte. Fast -nur A. Ross in Ziirich Überdauerte diese Zeit als Bakunins russischer Vertrauensmann. Erst im Frühjahr 1872 besuchten mehrere in Zürich studierende junge Russen, Flüchtlinge wegen russischer Universitätsbewegungen, Bakunin in Locarno, wurden über Netscliajeff aufgeklärt und verständigten sich schnell mit Bakunin. der mit ihnen eine engere Gruppe bildete; um sie gruppierten sich eine Reihe von Studenten und Studentinnen in Zürich. Bakunin lohnte dort von .Ende Juni 1872 ab und machte durch seine Persönlichkeit grossen Eindruck auf die Jugend. Eine „slavische Sektion" der Internationale vereinigte Russen, Polen, Südslaven auf Grund eines von Bakunin verfassten Programms; einen weiteron Mittelpunkt bildete die russische Bibliothek in Zürich. Erfolglos blieb Bakunins letzter Versuch polnischer Agitation in der polnischen sozialdemokratischen Gesellschaft. Für die woitere Propaganda handelte es sich natürlich um die Herausgabe russischer Publikationen; Versuche, sich mit Lawroff, der die Zeitschrift „Vpered" („Vorwärts") vorbereitete, zu verständigen, scheiterten, und zwischen den Anhängern Bakunins und Lawroffs gab es scharfe Reibungen.

Damals wurde Netschaieff, der sich seit 1870 ver-

V * • #

steckt in London, Paris, Zürich u. a. 0. aufhielt, in letzterer Stadt durch den Verrat des Polou Stempkowski verhaftet (14. August 1872); am 27. Oktober erfolgte seine Auslieferung vom Kanton Zürich an Russland, angeblich als gemeiner Verbrecher; dass er dann in Russland — statt nach Sibirien .geschickt zu werden — wie die politischen Verbrecher in die Petersburger Festung gesperrt wurde, um diese Kleinigkeit, die den Aus-lieferungs„grund" als reinen Vorwand nachwies, kümmerte sich die Schweiz dann nicht weiter! Er starb Ende 1882, nachdom er in diesen zehn Kerkerjahren beständige Beweise seiner unzähmbaren Energie gegeben hatte. — Bakunin war im Oktober 1872 nach Locarno zurückgekehrt und kam wohl nur noch einmal, im Frühjahr 1873, für ganz kurze Zeit nach Zürich. Etwa gegen Ende des Winters 1-873 wurde die russische Druckerei des Bakunin-schen Kreises in Zürich gegründet, welche wesentlich drei starke Bände („P ublikationen der sozial-r evo -lutionären Partei") herstellte: Ende August 1873 erschien „Die historische Entwicklung der Internationale", eine Auswahl von Artikeln der belgischen und schweizer internationalen Zeitschriften mit verbindenden Kapiteln, darunter einer Darstellung der Geschichte der „Alliance". 1874 erschien Bakunins „Staatlichkeit und Anarchie", der Anfang eines gross angelegten Werkes; ferner „Die Anarchie

j; V:'': • T • Vy: •42

nach Proudhon" von einem anderen Verfasser. Eine Sei-

• # . _ . 0 _

läge zu „St. und An." resümiert Bakunins letzte Ideen Über die russische Propaganda; hierin wird erklärt, die Jugend müsse ins Volk gehen, das berühmte Schlagwort, das auch so viele in diesen Jahren zur That machten t*nd mit welchen Opfern! Die Jugend könne die zahllosen isolierten revolutionären Kräfte, die im Volk schlummern, erwecken und vereinigen, meinte Bakunin; man fühlt, wie ähnlich das Verhältnis von Jugend und Volk dem von „Alliance" und Internationale, dem der „intimen Freunde" und der ünbewussten, aber mit revolutionären Instinkten erfüllten Masse war; diese Auffassung durchdringt eben jede Aeusserung Bakunins, nach allen Seiten hin. — Die Unvereinbarkeit mehrerer Charaktere in der engsten Gruppe Bakunins führte im Sommer 1873 zu deren Trennung, wobei Bakunin zu A. Ross hielt, während die sich trennenden, Z. Ralli, A. Oelsnitz und V. Holstein, die »elbständige Herausgabe von Schriften unternahmen. Man begann mit „An die russischen Revolutionäre" (September 1873), welchem thatsächlich das von Bakunin verfasste Programm der geheimen Organisation zu Grunde liegt: diese Handlungsweise machte den Bruch unheilbar. — Nach Beendigung des Drucks der drei Bände wurde die Druckerei geschlossen; Zürich hatte durch Vertreibung der Studiere»den durch den russischen Ukas seine Bedeutung als russisches Centrum im Ausland verloren, und Bakunins russische Propaganda in weiterem Umfang endet hier, sie beschränkte sich seitdem auf einzelne ihn besuchende Russen.

# *

*

Der Haager Kongress der Internationale (2.—7. September 1872) findet in der ausführlichen Biographie eine Darstellung im Detail nach den Notizen Joukowskis; nur dies giebt einen Einblick in die Perfidie der Leiter der mit amerikanischen, französischen und deutschen Mandaten einzelner Sektionen versehenen Majorität, der die Delegierten der Föderationen Belgiens, Hollands, Spaniens, des Juras als Minorität gegenüberstanden. Ich übergehe alle anderen Punkte und erwähne nur die sogenannte Untersuchungskommission über die „Alliance", welche in ihrer Mehrheit nach einer durch Marx Eingreifen eine entscheidende Wendung nehmenden, bis dahin resultatlosen Enquete einen von Widersprüchen erfüllten Bericht erstattete, und den Ausschluss vou Bakunin, Guillaume und • Schwitz-guebel aus der Internationale verlangte, — den Bakunins auch noch wegen einer angeblichen persönlichen

Angelegenheit, in den insultierendsten Ausdrücken jfär ihn; dieser Angelegenheit lag thatsächlich eine der vielen willkürlichen Handlungen Netschajeffs zu Grunde, und Bakunin war dabei nicht beteiligt; einen Protest gegen seine Beleidigung veröffentlichten kurz nachher die in Genf und Zürich wohnenden russischen Flüchtlinge (4. Oktob. 1872), was zur Beseitigung dieser Angelegenheit genügt, auf die die Anhänger von Marx nie, weder mit einem Beweis noch mit einem "Widerruf zurückgekommen sind! — Der Kongress schloss wirklich Bakunin und Guillaume mit 27 (25) gegen 6 (9) Stimmen, bei 7 (8) Stimmenenthaltungen aus der Internationale aus! — Begreiflicherweise war nach diesem Vorgang endlich der Augenblick des Vorgehens der Minorität gekommen, welche am 7. September ihre bekannte Erklärung vorlegte, nach welcher die von ihnen vertretenen Föderationen die formellen Beziehungen zu dem nach New-York verlegten Generalrat beibehalten, aber unter sich selbst in direkte Beziehungen treten würden; ebenso würden sie alle zum Schutz der vom Generalrat bedrohten Föderationen zusammenstehen. Dies bedeutete, wie man wohl sagen kann, mit einem Schlag die Befreiung von der Marxschen Herrschaft in der Internationale. Marx hatte sich durch jahrelange Intrigue einen autokratischen Verwaltungsapparat geschaffen, der die Bewegungen aller Länder lenken und zur allein seligmachenden „politischen Aktion" (d. h. zum Wählen!) zwingen sollte. Im Moment, als diese Aktion gelungen schien, als er sogar seine intimsten Bundesgenossen und Feinde zugleich, die Blanquisten, durch die Verlegung des Generalrats nach New-York, in die Hände seiner Kreatur F. A. Sorge, abgeschüttelt hatte, al» die „politische Aktion" (das Sektenprogramm) obligatorisch wurde, — in dem Moment des höchsten Triumphes, der persönlichen Rache an Bakunin und dessen Freunden, — da brach das Gebäude von Lug und Trug zusammen: denn diejenigen, die regiert werden sollten, die Masse der wirklich lebenden Internationale, entzogen sich ihm mit einem Schlag. Das Resultat war also, wenn ich mit Bakunin hier die Gesamtheit der freiheitlichen Richtung bezeichne: Marx hatte die Statuten, Bakunin hatte die Internationale selbst, — der eine hatte die leere Schale^ der andere den vollen Kern. Sicherer undt drastischer konnte sich niemand selbst vor die Thür setze&y* als Marx es durch den Haager Kongress that. ^ .-J

Die Minoritätserklärung ist im wesentlichen aiif (jejcg in dem imperativen Mandat der Juradelegierten skizzierten??;

Taktik basiert, die Bakunins Standpunkt darstellen dürfte, so dass derselbe also ganz durchgedrungen war. Die weitere Ausführung fand diese Taktik durch den Kongress von St. Imier (Jura), 15. und 16. September, auf welchem die Delegierten der italienischen, spanischen und Juraföderation und französischer Sektionen eine Reihe von Resolutionen annahmen, die meist von Bakunin, der selbst anwesend war, verfasst sind. Nach einer Diskussion, ob man mit dem Gcneralrat, der moralisch nicht mehr anerkannt wurde, auch gleich formell brechen oder den in der Minoritätserklärung definierten abwartenden Standpunkt einnehmen sollte, wurde — durch das Drängen der Italiener unterstützt, — erst der völlige Bruch beschlossen und im Anschluss daran der „Vertrag der Freundschaft Solidarität, und gegenseitigen Verteidigung der freien Föderationen", in welchem die Taktik des imperativen Mandats wieder definiert wurde. Andere Resolutionen sind theoretischen Charakters.

Bakunin begann eine allgemeine Antwort auf die Angriffe gegen ihn in Form eines langen Briefes an die „Liberte" (Brüssel) zu schreiben (Oktober 1872: zuerst gedruckt in der „Societe nouvelle", Juli—August 1894), vollendete aber weder dieses noch ein Ende des Jahres begonnenes Manuskript einer Fortsetzung des rEmpire knouto-germanicjuo". Seinen Standpunkt über die Taktik in der Internationale können wir, in Ermangelung von Briefen und Schriften aus dem Jahre 1872—73, nur aus den nicht unterzeichneten, aber ganz sicher von ihm entworfenen, diesbezüglichen Resolutionen des italienischen Kongresses vom März 1873 entnehmen; s. im folgenden.

Die sympathische Aufnahme der Resolutionen von St. Imier bei den beteiligten Föderationen usw. kann hier nicht geschildert werden. Immerhin rückte die Frage eines selbstständigen Kongresses, der schon im März hätte stattfinden sollen, nicht rechtzeitig weiter, und dio Belgier, die gewissermassen den rechten Flügel bildeten, wie die Italiener den linken und die Spanier und Jurassier die Mitte, gingen — genau wie 1871, nach dem Jurazirkular — am bedächtigsten vor. Die sicher von Bakunin entworfene Resolution von Mirandola — der Kongress fand thatsächlich in Bologna statt (März 1873) — schlägt vor: an dem allgemeinen Kongress sollten die italienischen Delegierten nur unter den Bedingungen des Solidaritätspakts und mit folgendem Mandat teilnehmen: • $ 1*; "Wiederherstellung der alten Considerants der Internationale (wie in Genf 1866 votiert), — 2. die Solidarität "/'SM iin j[ ökonomischen , Kampf als einziges obligatorisches

Bindeglied und vollste Autonomie in allem übrigen; — 3. Abschaffung jeder Autorität und Zentralgewalt in der Internationale und volle Autonomie der Sektionen und Föderationen. Dies können wir als Bakunins erste und letzte Bedingung der "Wiederherstellung des normalen Zustands in der Internationale ansehen; es ist nicht neues, da sich die frei denkenden Föderationen auch stets frei fühlten und den Generalrat stets nur als Bureau für Korrespondenz etc. betrachteten; es liegt der Reorganisation der Internationale durch den Genfer Kongress (September 1873) zu Grunde, und beweist so auch die Continuität der Internationale, aus der nur der Marxsche Generalrat und einige Sektionen fanatischer Sozialdemokraten oder Politiker verschwunden waren.

Die Diskussion über den nächsten Kongress wurde schliesslich durch den belgischen Vorschlag geendigt, die Juraföderation solle den allgemeinen Kongress in der Schweiz vorbereiten; diese Föderation schlug dann Genf als Ort vor, wohin später F. A. Sorge auch den autoritären Kongress einberief.

Ende April 1873 erschien das „Memoire" der Juraföderation, der wichtigste historische Beitrag zur Geschichte der Internationale und ein Muster ruhiger, sachlicher Schilderung.

Die Thätigkeit des New-Yorker Generalrats verdient nicht, uns aufzuhalten; überall totaler Verfall und ohnmächtiges Perorieren; die freiheitlichen Föderationen werden samt und sonders durch Suspendierungen aus der Welt gebannt, die Bevollmächtigten in Frankreich, die berüchtigten d'Entraygues und Van Heddeghem machen ihre Organisation zur Polizeifalle; die Federation Romande der Genfer Politikor verfault gewissermassen usw.; der klägliche Scheinkongross von 1873 krönte das Werk vollständigen Verfalls, dem im Juli 1876 die formelle Auflösung folgte.

Der letzte Streich der alles um sich schwinden sehenden Marx und Engels war die von ihnen (und Utin) zusammengestellte Alliancebroschüre (L'Alliance de la demo oratio social iste et 1'Association int. des travailleurs, 1873, vom 21. Juli datiert); dem spanischen Kapitel derselben liegt eine Broschüre von Lafargue zu Grunde. — Diese Schrift ist in ihrer ganzen Anlage total verlogen und wimmelt von Unrichtigkeiten und Fälschungen im Detail; kein Citat darin darf man ungeprüft acceptieren. Die Grundlagen bilden einzig die von der Allianceenquetekommission im Haag selbst als Projekt bezeichneten Dokumente, für deren Gültigkeit zu irgend einer Zeit nicht der geringste Beweis erbracht wird; — dann die Existenz der „Alianza" in Spanien, deren Verbindung mit einer Organisation ausserhalb Spaniens nicht erwiesen wird; — endlich ein Brief Bakunins an F. Mora (6. April 1872), der die Alliance in Italien, Spanien und der Schweiz erwähnt, aber ohne Angabe darüber, in welcher Forhi u. s. w. sie bestehe. Neben diesem der Kritik gegenüber minimalen Material steht ein umfangreiches Schein material, das dadurch beliebig geschaffen wird, dass jede Handlang, jeder Schritt einer der freiheitlichen Richtung angehörenden Person oder Sektion als Handlung der „Alliance" bezeichnet wird, worauf die schlechtesten Motive untergelegt werden. Ein historisch wertloseres, verfälschteres Material kann man sich nicht leicht vorstellen. — Bakunin fertigte die Broschüre in einem Brief an das „Journal de Geneve" (25. Sept. 1873) ab. —

An dem Genfer Kongress (1.—6. September) nahm Bakunin, der übrigens damals von Locarno nach Bern gekommen war und manche der Kongressteilnehmer sah, nicht teil, wohl seinem Plan, aus der Oeffentlichkeit zurückzutreten, entsprechend. Der Kongress, den Delegierte aus der Schweiz, Spanien, Italien, Frankreich, Belgien, Holland und England besuchten, reorganisierte die Internationale im freiheitlichen Sinn und ersetzte den Generalrat durch ein Föderalbureau, das der belgischen Föderation zunächst Übertragen wurde; ihm folgten Kongresse in Brüssel (1874), Bern (1876), Veviers (1877), an die sich — im Prinzip, nicht der Organisation nach — die Kongresse von London (1881), die Genfer Zusammenkunft von 1882, die von Barcelona (1885) anschliessen.

Nach diesem völligen Sieg der freiheitlichen Richtung erklärte Bakunin in dem erwähnten Brief (25. Sept.) und in einem Abschiedsbrief an die Genossen der Juraföderation („Bulletin", 12. Oktober 1873) seinen Rücktritt aus der Internationale und von der öffentlichen Thätigkeit. Dieser Schritt sollte thatSächlich maskieren, dass er sich ganz einer weitgehenden geheimen revolutionären Thätigkeit hingeben wollte, für die ihm im Jahre 1873—74 zum letzten Mal die Bedingungen gegeben schienen.

• * *

.* *

Die vom Haager Kongress in die Schweiz reisenden spaniuehen Delegierten, die nach Zürich gekommenen Jtaliener und einige andere hatten vor dem Kongress von St; imier in Zürich Besprechungen mit Bakunin, in denen die privaten Beziehungen (d. h. die „Alliance") reorganisiert wurden. —- Leider fehlen für das Jahr 1872—73 äö gut wie allen direkten Quellen über Bakunins Thätigkeit. Seine Lebensweise in Locarno schildern uns N. Sokoloffs Memoiren. Im Sommer gewannen Cafieros Pläne definitiven Ausdruck, indem zum Ankauf und Umbau der „Baronata" geschritten wurde.

In Italien folgte dem Kongress von Bologna (März 1873) die Abhaltung eine Reihe provinzieller Kongresse und die Gründung regionaler Föderationen. Die Resolutionen von Bologna sind, wie schon bemerkt, zum Teil unverkennbar von Bakunin redigiert; die achte Resolution enthält das theoretische Programm Bakunins; der Kongress erklärt sich durch - sie atheistisch und materialistisch, anarchistisch und föderalistisch, für das Kollektiveigentum, dessen Organisation dem Gedanken und der spontanen Aktion der freien Kommune und freien Associationen überlassend.

Die Ereignisse vom Sommer 1873 in Spanien Hessen eine siegreiche Revolution möglich erscheinen, und auf das Drängen spanischer Freunde entschloss sich Bakunin selbst hinzureisen. Diese Absicht wurde durch Geldmangel und Verhaftung des zur Beschaffung des Geldes Abgeschickten unmöglich gemacht. Bakunin würde sich wohl zunächst nach Barcelona gewendet haben, das bei den damaligen Bewegungen übrigens von so manchen kleinen Städten, Alcoy, San Lucar de Barrameda u. s. w. in Schatten gestellt wurde. Thatsächlich leistete die an Sektionen und Mitgliedern so zahlreiche spanische Internationale nicht, was von ihr hätte . erwartet werden können. Die Bewegungen begannen in politischer Form und die Internationalen hielten sich zu sehr von ihnen fern, weil sie die Politik verachteten. Dies wäre, wie» aus verschiedenen Anzeichen hervorgeht, durchaus nicht Bakunins Standpunkt gewesen, der gewiss — wie 1870 und 1874 — versucht hätte, alle Bewegungsparteien zusammen zufassen r Seine Reise nach . Spanien hätte daher x vielleicht die Haltung der Internationale dort wesentlich geändert und dadurch verhindert, dass die Aufstände einzeln unterdrückt, wurden. So fiel schliesslich auch Cartagena nach mehr-monatlicher Belagerung. Am 10. Januar 1874 wurde die Internationale von der Regierung Serranos proscribiert und -musste dann durch mehr als sieben Jahre als geheime Organisation bestehen,dieihreKongressehielt,Kommiseionen wählte, Zeitungen geheim druckte u. s. w.; ohne die Voi> schule der „Alianza" wäre dieses Zusammenhalten wohl viel schwerer möglich gewesen.

■48:

•fit-

SS

y'k

W:

/et

>

Dio französischen Beziehungen Bakunins beschränkten

............. . _

dftmale, wie ein Brief vom 11. Januar 1873 zeigt, auf wenige persönliche Bekannte; die Propaganda ging wesenfc-

&

Vi

•o»

m

ökonomische

WOUIg.V ^lOlOUUUV/UO JL«OaOIUU UV ) Wie A tu

„Jülich von Genf und Barcelona aus. — In der Jura-Föderation trat Bakunin nicht mehr hervor. —

• Im August 1873 regte Cafiero an, dass Bakunin sich scheinbar ganz von der Bewegung zurückziehen solle, um eine umso ehifetere geheime revolutionäre Thätigkeit zu entfalten; diesem Plane entsprechend erklärte er in. den erwähnten Briefen im September und Oktober seinen 1 Rücktritt und wurde durch Erwerbung der „Baronata", eines Hauses mit Garten am Nordwestende des Lago Maggiore, nördlich von Locarno, anscheinend zurückgezogener Bourgeois. Nach einem Aufenthalt in Bern von Anfang September- bis in den Oktober hinein lebte er dann bis zum Juli 1874 in der „Baronata".

Die Idee Cafieros bewährte sich nicht. Die „Baronata" wurde wohl ein angenehmes temporäres Asyl für manche italienische und andere Internationale und" 1874 bereitete sich thatsächlich von da aus eine allgemeine italienische . Bewegung vor. Aber die materiellen Grundlagen waren nicht richtig bedacht; der notwendige Umbau des Hauses und dio Bepflanzung des steilen Gartenterrains, ebenso • wie die unpraktische Lebensweise verschlangen grosse 'Summen und Cafiero wäre nicht in der Lage gewesen, , dieses Experiment fortzusetzen. Es giebt hierüber, neben übertreibenden Gerüchten,, eine ausführliche Darstellung von Bakunin selbst, auf die ich verweisen muss. Im Juli 1874 erwies sich eine Fortdauer des bisherigen Zu-- standes als unmöglich und Bakunin verliess Locarno, wohin er nicht mehr zurückkehrte. —

Damals bereitete sich die letzte Bewegung vor, an der er teilnehmen sollte. Nach den Niederlagen in Frankreich und Spanien war nur die italienische Internationale noch aufrecht und ungebrochen. Eine solche Bewegung sollte alle vorgeschrittenen Parteien umfassen und thatsächlich wurden mit Garibaldianern und Garibaldi selbst im dsogar mit den Mazzinisten, von denen einige wenigen '^.^•'r^doktrinär waren als der Rest, Beziehungen angeknüpft,

die wohl zu keiner definitiven Abmachung führten und . deren Spuren nach dem Misserfolg der Bewegung ver-wischt wurden, die aber doch hinlänglich feststehen. Einen Anknüpfungspunkt ah die Volksmassen bot die , ie vom Frühjahr ab zu vielen lokalen

^S^Ä^MTevolten führte. Seit Januar 1874 wurden mehrerev . eines „Comitato Italiano pejria

al e " geheim verbreitet. Die

Bewegung war wohl für den August vorbereitet. Nach den Verhaftungen der Mazzinisten in der Villi Ruffi begann die Regierung die internationalen und demokratischen Vereine in einzelnen Provinzen aufzulösen (Anfang August). All dies, auch die Verhaftungen von Internationalen in Raven na (26. Juli) u. a. wirkte auf den Ausbruch der Bewegung, die in Bologna beginnen sollte, beschleunigend.

In welcher Weise Bakunin ursprünglich beabsichtigt hatte, an dioser Bewegung teilzunehmen, ist unbekannt. Nach einer Reihe von Vorgängen im Juli 1874, die sich nicht kurz zusammenfassen lassen, entscliloss er sich, nach Bologna zu reisen, wo er den Tod zu finden erwartete. Am 27. Juli reiste er aus Locarno zum Splügen, am 29. Juli von dort nach Colico am Comosee, dann über Lecco, Brescia, Bergamo, Verona nach Bologna, wo er am Abend des 30. Juli ankam und mit A. Costa, den hauptsächlichen Vorbereiter der Bewegung, zusammentraf. Nach schnellen Reisen nach Rom und nach Rovigo wurde Costa am Abend des 6. August in Bologna verhaftet; der mit ihm befindliche Alceste Faggioli rettete sich und warnte Bakunin, der in eine neue Wohnung gebracht wurde. Nach Beratung am 6. und der letzten grossen Beratung am Abend des 7. August kam die für die Bewegung festgesetzte Nacht des 7.—8. August; da zogen Banden von Internationalen von Imola nach Bologna, andere — von Bologna und vom Westen der Stadt — versammelten sich auf den Prati di Caprara, ausserhalb Bologna, wo Waffen verteilt wurden. Als nächstes Ziel galt, sich des Morgens der Stadt Bologna zu bemächtigen. Dio nächtlich Versammelten, anfangs ziemlich zahlreich, besassen aber nicht hinreichende Entschlossonheit, wirklich zu handeln; die Bande von Imola wurde auf halbem Wego durch Militär aufgehalten; die entschlossensten von Prati di Caprara schlugen sich in die Berge, wo sie bald von Militär verfolgt wurden, und in Bologna blieb alles ruhig. Bakunin, der diese traurige Nacht in seiner Wohnung gewartet hatte, beschloss, zwischen 3 und 4 Morgens allein gelassen, sich um 4 Uhr zu töten, wovon ihn ein kurz vorher zurückkehrender Genosse, derselbe, der ihn beherbergte, abhielt. — Selbst dann scheint die Hoffnung einer Bewegung nicht ganz aufgegeben worden zu sein, und Bakunins Abreise von Bologna in die Schweiz scheint zunächst dem Ziel einer Besprechung mit Cafiero gegolten zu haben. Er verlies3 Bologna als Landgeistlicher verkleidet am 12. August, reiste, von Modena aus mit F. ^Natta aus Florenz, der auch in

Bologna viel mit ihm zusammen war, über Verona und den Comosee wieder nach Splügen, wo er eine Woche lang vergebens Cafiero erwartete und von wo er am 20. August schrieb, er sei entschlossen, zurückzukehren, von wo er gekommen, d. h. nach Italien.

Aber $uch die übrigen Bewegungen in Italien wurden kaum begonnen oder schlugen fohl. Die angeblichen Vorbereitungen in Toscana führten zu den Prozessen von Florenz, Livorno und Massa, die von Sizilien, Calabrien und Apulien (wo Malatesta und einige Genossen sich that-sächlich im alten Castel del Monte und seiner Umgebung einige Tage lang als Bande aufhielten) zum Prozess von Trani; andere Prozesse waren in Rom und Perugia; der umfangreichste war der von Bologna (März bis Juni 1876), alle endeten mit Freisprechungen. Bakunins wirklicher Anteil an den Vorbereitungen wurde durch die Prozesse nicht aufgeklärt.

Es lässt sich nachwoisen, dass in den letzten Tagen seines Aufenthalts in Splügen, etwa am 24. oder 25. August 1874, Bakunin sich entschloss, sich definitiv zurückzuziehen; „j'en ai assez de la politique et des entrepises revolu-tionnaires — ma derniere expedition m?en a decidemment •enleve le goüt — et je suis assez vieux pour bien avoir le droit de prendre ma demission" („Ich habe genug von ■der Politik und den revolutionären Unternehmungen — meine letzte Expedition hat mir entschieden den Geschmack daran genommen — und ich bin alt genug, um das Recht .zu haben, meine Demission zu nehmen" — schrieb er kurz darauf. Seine traurigen Erfahrungen in Italien, wo man ihm über die Mittel der zu erwartenden Bewegungen übertriebene Mitteilungen gemacht hatte und wo nun :alles ohne Kampf zusammenbrach, sowie persönliche Kränkungen von ihm zunächst stehenden, erklären seinen damaligen Pessimismus und er hatte noch Wochen, fast Monate, einer Krisis vor sich; er reiste damals am 26. August von Splügen über Chur, Zürich, Fribourg nach Sierre (Kanton Wallis), wo am 6. September die Nachrichten über ihn aufhören. Erst am 9. Oktober finden wir ihn, eben angekommen, in Lugano, wieder im Kreis seiner Familie; dort wohnte er dann bis kurz vor seinem Tode. —

* * *

Bakunin lebte wirklich von jetzt ab äusserst zurückgezogen: er überwand wohl die Phase des Pessimismus vom Sommer und Herbst 1874, aber- die Reaktion war damals so vollständig triumphierend',' dass keine Bewegung bestand, der er seine letzte Kraft hätte schenken können, auch der Zusammenhang der Roste der Bewegungen war fast unterbrochen und er konnte nur mit einzelnen seiner Besucher, Russen, Italienern, Franzosen u. a., onger verkehren.

Die böswillige Nachrede lässt ihm selbst in diesen letzten zwanzig Monaten einer durch viole Geldsorgen immer wieder getrübten Ruhe nicht in Frieden, und sucht glauben zu machen, er wäre in seinen Ansichten gemässigter geworden, oder seine geistigen Fähigkeiten hätten gelitten. Nach persönlichen Berichten und einer Reihe von Briefen und Manuskriptfragmenten, lässfc sich auch hierüber sicheres, diese Behauptungen widerlegendes feststellen.

In einem Brieflragment vom 15. Febr. 1875 schreibt er: „Ich stimme mit Dir überein, zu sagen, dass die Stunde der Revolution vorüber ist, nicht wegen der furchtbaren Unglücksfälle, deren Zeugen wir waren, und der schrecklichen Niederlagen, deren mehr oder weniger schuldige Opfer wir waren, — sondern weil ich, zu meiner grössten Verzweiflung, konstatierte und täglich von neuem konstatiere, dass dor revolutionäre Gedanko, Hoffnung und Leidenschaft sich absolut nicht in den Massen befinden, und wenn diese abwesend sind, kann man sich noch so anstrengen („on aura beau se battre les flaues"),

man wird nichts ausrichten.„......Er bewundert die

Geduld und Ausdauor der in der Propaganda ausharrenden, fühlt sich aber selbst zu alt, zu krank, zu müde, uud auch in vielen Beziehungen zu enttäuscht („desabuse") dazu. Er fühlt eine ungeheure Neugierde, die Ursachen des Triumphs der Reaktion mit einer quasi wissenschaftlichen, ganz objektiven Leidenschaft zu studieren. . . .'

Während er in den Zeiten der Propaganda die religiösen Vorurteile des Volkes für etwas gowissermassen Unschädliches hielt, das nur eine Form der ökonomischen Wünsche der Armen sei (der Himmel die Utopie, der Sozialismus der Armen), — und während er zur Zeit der Aktion die kirchliche Roaktion für machtlos, und dem direkt zu bekämpfenden Staat gegenüber für weniger wichtig hielt, kam er jetzt, in der Zeit der ruhigen Erwägung wieder auf die Religion nnd das Pfaffentum, als das allerverhassteste zurück, dem gegenüber ihm selbst der den brutalsten Staat vertretende Bismarck im „Kulturkampf" anerkennenswert erschien, und er verfolgte diese Bewegung mit Vergnügen. „Jetzt scheint es mir wieder nützlich, notwendig" (schrieb er am 18. Oktober 1875 in deutscher Sprache) „den alten verschollenen Schrei der

Encyclopädisten zu erheben: Ecrasons l'infame — und wie in meiner guten alten fanatischen Zeit, wo ich zu sagen pflegte: „Was redet ihr mir von Unparteilichkeit, wir wollen die Unparteilichkeit dem lieben Gott überlassen!" — ebenso fange ich wieder [an] mich sehr [wenig] um abstrakte Gerechtigkeit zu kümmern : alles, was das Pfaffentum und die Pfaffen zu Grunde richtet, ist mir recht und gerecht —a ... In diesem Sinne interessierte er sich für den Kampf der Republik gegen den Klo-rikalismus in Frankreich und war über die Wahlen des 20. Februar 1876 sehr erfreut. — Ich glaube, dass er auch hierin das richtige voraussah: die Arbeiterbewegungen wurden seit den siebziger Jahren politisch und social-reformatorisch, ohne den Staat und die Kirche ernstlich zu bekämpfen, mit dem Resultat der ungehouer gewachsenen Macht des Staates und der Kirche, dio wir heute sehen,

und die Bakunin in seiner letzten Zeit vorausahnte.

* #

*

Ein Schilderung seines Lebens in Logano muss hier entfallen, vieles hübsche, wenn auch — in gutartiger Weise — übertriebene, bietet ein Aufsatz von Arthur Arnould hierüber. War Bakunin gesund, so interessierte ihn alles, auch Landwirtschaft, lokales — und, mehr, als er sich manchmal merken liess, die sozialistische Bewegung, die in Italien wieder etwas freiere Luft gewann. Aber er war oft leidend und stand viel aus. Er wäre wohl noch einmal nach Italien (Neapel) übersiedelt, wenn ihm nicht seine schwere Krankheit nach Bern getrieben hätte, zur Pflege durch seinen alten Freund, Professor Adolph Vogt. t Am 1,3. Juni dort angekommen, musste er gleich ein Privatspital aufsuchen, wo ihn neben Vogt auch seine alten Freunde, die Familie Reichel, bis zuletzt besuchten; er starb, nach einigen letzten in dauernder Somnolenz verbrachten Tagen, am 1. Juli 1876, Mittags.

Ende.

Aus M. Bakunins Fragment über die Commune von Paris. (Sommer 1871).

.....„Wer bin ich also und was treibt mich zur

Veröffentlichung dieser Arbeit? Ich bin ein leidenschaftlicher Sucher dor Wahrheit und ein nicht minder erbitterter Feind der übelthuenden Fiktionen, deren sich die Ordnungspartei, dieser offizielle, privilegierte und interessierte Vertreter aller gegenwärtigen und vergangenen religiösen, metaphysischen, politischen, juristischen, ökonomischen und sozialen Schändlichkeiten noch heute zu bedienen behauptet, um die Welt dumm zu machen und zu versklaven. Ich bin ein fanatischer Liebhaber der Freiheit, dio ich als das einzige Milieu betrachte, in welchem die Intelligenz, die Würdo und das Glück des Menschen sich entwickeln und vergrössorn können; (ich meine nicht) diese ganz formelle Freiheit, die der Staat aufzwingt, abmisst und regelt, diese ewige Lüge, die in Wirklichkeit stets nur das auf die Sklaverei Allor gegründete Vorrecht einiger Weniger darstellt, — auch nicht dio individualistische, egoistische, kleinliche und fiktive Freiheit, welche dio Schule von J. J. Rousseau und alle anderen Schulen des Bourgeoisliberalismus empfehlen und nach welcher das sogenannte Recht Aller, welches der Staat vertritt, die Grenze des Rechts jedes Einzolnon bildet, wodurch notwendigerweise stets das Recht jedes Einzelnen auf Null reduziert wird. Nein, als die einzige des Namens wahrhaft würdige Freiheit betrachte ich die Freiheit, welche in der vollen Entwicklung aller materiellen, intellektuellen und moralischen Kräfte besteht, die im Zustand latenter Fähigkeiten in jedem einzelnen ruhen; die Freiheit, welche koino anderen Beschränkungen kennt, als die uns von den Gesetzen unserer eigenen Natur vorgeschriebenen, so dass es eigentlich gar keine Beschränkungen giebt, da diese Gesetze uns nicht von einem äusseren Gesetzgeber aufgelegt sind, der neben oder über uns sich befindet; diese Gesetze sind uns innenwohnend, anhaftend nnd bilden dio eigentliche Grundlage unseres materiellen, intellektuellen und moralischen Wesens; anstatt also in ihnen eine Begrenzung zu sehen, müssen wir sie als die wirklichen Bedingungen und die thatsäch-liche Ursache unserer Freiheit betrachten.

Ich meine diejenige Freiheit des Einzelnen, welche weit entfernt vor der Freiheit anderer, wie vor einer Grenze stehen zu bleiben, in derselben im Gegenteil die Bekräftigung und Ausdehnung ins Unendliche der eigenen

Freiheit sieht; die unbegrenzte Freiheit des Einzelnen durch die Freiheit Aller; die Freiheit durch die Solidarität; die Freiheit in der Gleichheit; die Freiheit, welche über die brutale Gewalt und das Autoritätsprinzip, den idealen Ausdruck dieser Gewalt triumphiert; die Freiheit, welche nach Sturz aller himmlischen und irdischen Idole eine neue "Welt gründen und organisieren wird, die Welt der solidarischen Menschheit, auf den Ruinen aller Kirchen und aller Staaten.

Ich bin ein überzeugter Anhänger der ökono- -mischen und sozialen Gleichheit, weil ich weiss, dass ausserhalb dieser Gleichheit die Freiheit, die Gerechtigkeit, die Menschenwürde, die Moralität und das Wohlbefinden der Individuen, und das Gedeihen der Nationen stets nur Lüge sein werden. Aber als unbedingter Anhänger der Freiheit, dieser ersten Bedingung der Menschheit, denke ich, dass die Gleichheit begründet werden muss durch die spontane Organisation der Arbeit und des Kollektiveigentums der frei organisierten und zu Kommunen fooderierten Produktivassociationon und durch die ebenso spontano Föderation dieserKommunen — und nicht durch die oberste und bevormundende Aktion des Staates.

Dieser Punkt trennt vor allem die revolutionären Sozialisten oder Kollektivisten*) von den autoritären Com-munisten, den Anhängern der absoluten Initiative dos Staates. Das Ziel beider ist dasselbe; beide wollen die Schaffung einer nouen sozialen Ordnung, dio ausschliesslich auf dio Organisation der jedem oinzelnen und allen durch die Macht dor Dingo selbst zu für alle gleichen oekono-mischen Bedingungen unabänderlich aufgelegten kollektiven Arbeit und kollektive Aneignung der Arbeitsinstrumente begründet ist.

Nur bilden sich die Communisten**) ein, diesen Zustand durch die Entwicklung und Organisation der politischen Macht dor arbeitenden Klassen, hauptsächlich des Proletariats der Städte, mitHülfe des bürgerlichen Radikalismus, erreichen zu können, während die revolutionären Sozialisten, Feinde jeder zweideutigen Legierung und Allianz, im Gegenteil glauben, dieses Ziel nur durch die Entwickelung und Organisation nicht der politischen, sondern der sozialen und folglich antipolitischen Macht der Arbeitermasse der Städte und des Landes erreichen zu können, mit Einschluss aller Männer von gutem Willen aus den oberen Klassen, welche mit ihrer Vergangenheit brechen und sich ihnen offen anschliessen und ihr Programm vollständig annehmen wollen.

*) die jetzigen Anarchisten. (Der Uebersetzer).

*•) die jetzigen Sozialdemokraten. (Der Uebersetzer).

Daraus ergeben sich zwei verschiedene Methoden. Die Communisten glauben die Arbeiterkräfte organisieren zu müssen, um sich der politischen Macht der Staaten zu bemächtigen. Die revolutionären Sozialisten organisieren sich in Hinblick auf dio Zerstörung oder, wenn man ein höfliches Wort gebrauchen will, die Liquidierung der Staaten. Erster© sind Anhängor dor Autorität in Theorie und Praxis; die revolutionären Sozialisten haben nur in die Freiheit Vertrauen. Beide sind in gleicher Weise Anhänger der Wissenschaft, welche den Aberglauben töten und don Glaubon ersetzen soll, die ersteren wollen sie aufzwingen, die letzteren bemühen sich, sie zu verbreiten ;. damit die menschlichen Gruppen, von Ueberzeugung durchdrungen. spontan, frei, von unten nach oben, durch eigene Bewegung und den eigenen Kräften entsprechend sich organisieren — und nicht nach einem im Voraus entworfenen Plan, der den unwissenden Massen von einigen höheren Intelligenzen aufgelogt wird.

Dio revolutionären Sozialisten denken, dass in den instinktiven Aspirationen und den wirklichen Bedürfnissen der Volksmassen viel mehr praktische Vernunft und Sinn liegen als in der tiefen Intelligenz all dieser Doctoren und Vormünder der Menschheit, dio den vielen verfehlton Versuchen, die Menschheit glücklich zu machen, einen neuen Versuch hinzufügen wollen. Dio revolutionären Sozialisten sind dem gegenüber der Ansicht, dass die Menschheit sich lange genug, zu lange hat regieren lassen, und dass die Quelle ihres Unglücks nicht in dieser oder jener Regierungsform liegt, sondern im Wesen und der Existenz einer Regierung überhaupt, welche immer os sei.

Zwischen beiden besteht schliesslich der bereits historisch gewordene Widerspruch zwischen dem Kommunismus, den die deutsche Schule wissenschaftlich entwickelt hat und den dio amerikanischen und englischen Sozialisten teilweise aeeeptierten, einerseits, — und dem in weitem Sinne entwickelten und bis zu seinen letzten Konsequenzen vorgedrungenen Proudhonismus, andererseits, den die Proletarier der romanischen Länder aeeeptieren. 3) Der revolutionäre Sozialismus versuchte eine erste schlagende und praktische Aeusserung durch die Commune von Paris.

(La Commune de Paris et la notion de l'Etat par Michel Bakounine. Paris, aux „Temps nouveaux", 140, rue Mouffetard. 1899. 23 pp., 10 Centimes).

Ein Nachwort

von Gustav Landauer.

Dies Leben, das liier ohne konstruierende, dichtende Zuthaten dem Leser vorgeführt worden ist, spricht für sich selbst; es ist nicht viel hinzuzufügen. Bakunin steht vor uns da: ein Reiner und Glühender, ein Denker und Held. Mit all der reichen, verschwenderischen Arbeit seines Lebens hat er nicht gehabt, was die praktischen Leute Erfolg nennen. Er hat fast nie den Versuch dor Opportunisten gemacht, auf Umwegen zu seinem Ziel zu gelangen; geradeaus ging er seinon Weg, gerade heraus forderte er die Menschen auf, die Freiheit der Person und den Wohlstand für alle auf dem unmittelbarsten Wege zu erreichen. Hunderte hat er gewonnen, Tausende hingerissen, die Besten seiner Zeitgenossen und der Nachwelt hat er zuinnerst in Glut und Flammen getaucht; und doch stand er am Ende seines Lebens allein, ein resignierter Mann.

Ich glaube, diese Resignation und diesen Zweifel hatte er schon- vorher seit Jahrzehnten gekannt, ehe er alt und ausgearbeitet war, ehe er gerne in Schopenhauers weltentfremdeten Schriften las. Der Mann, der schon 1849 gesagt hat: „Alles wird untergehen, nur die Neunte Symphonie wird bleiben" war kein blind Gläubiger, keiner, der sich über die Trägheit und Genügsamkeit der Menschen täuschte.

Aber muss man denn an die Erfüllung dessen glauben, wofür man kämpft? Ist es denn nötig, hoffnungsfreudig zu sein, um tapfer zu sein? Muss man das Ergebnis seines Schaffens erleben wollen, um zu schaffen?

Das, meine ich, soll uns dieser Moment der Erinnerung an Bakunin lehren, dieses Eine: Man hat entweder einen obersten Trieb oder man hat ihn nicht. In wem der Trieb, volle ganze Monschenkultur zu schaffen, grösser ist als die Lust an persönlichem Wohlleben, als die Trägheit und Baquemlichkeit, der wird diesen Trieb über sein

Leben bestimmen und walten lassen, was auch der Verstand und die Beobachtung der jetzt lebenden Menschen dazu sagen mag. Das also bedeutet uns Bakunin, dieses ewig Alte und ewig Junge :

Das Leben an eine Idee zu setzen.

Diese Idee teilen wir mit ihm;. Stolze, freie Menschen sollen auf dieser Erdo stehen, die sich vereinigen in Arbeit und Selbstzucht, um gemeinsam dor Natur das abzuringen, was alle zum Leben brauchen.

Hier ist nicht der Ort, heute ist nicht die Zeit, über Einzelheiten seiner Weltanschauung und seiner politischen und antipolitischen Methoden mit ihm zu rechten. Es gilt heute ein Monument, nicht ein Denkmal oder eine Verherrlichung; ihn monumental zu sehen gilt es, das hinzustellen, was er uns als Genius, als Vorbild bedouten kann. Tapferkeit im Denken und Loben, treues, zähes , Festhalten am Besten, was wir in uns haben, vehementes Ausströrnenlassen unserer Persönlichkeit, dass wir in die Welt fluten und in die Welt wirkon, Roinhoit dor Mittel, weil's niemals auf den elenden Augenblick ankommen kann, das hat uns Bakunin vorgelebt.

Weiter habe ich nichts zu sagen; ich liebo und vorehre Michael Bakunin, diesen liebenswürdigsten aller Revolutionäre, seit ich ihn kenne; man kann ihn kennen lernen, denn es giebt nur wenig Schriften, dio so lebendig sind, wio dio seinen (vielleicht sind sie darum fragmentarisch, wie das Leben selbst); und um dieser Liebe und dieses Respektes willen versage ich es mir, das Leben dieses Thatmenschen zu beschwatzen.

„Sturm und Lebenu war das Geleitwort dieses stürmisch Lebendigen; aus schaffender Lust heraus hat er Altes und Morsches zerstören helfen. Vielleicht hat er zu wenig daran gedacht, aus schaffender Lust — zu schaffen; abor wenn man heute die ansieht, die da positiv schaffen, diese PhilistcrtrÖpfe ohne Aufschwung und ohne innere Macht, dann möchte man doch lieber in der Zeit gelebt haben, von der wir nicht wissen, wann sie wiederkommt: wo man über Trümmer hinwegschritt oinem Palaste zu, von dem man vielleicht irriger Weise glaubte, er baue sich von selbst, statt dass heute elende Baracken mit Fetzen und Backsteinen geflickt und neu errichtet werden, die doch nur dazu bestimmt sind, in Trümmer zu gehen und von den kommenden Generationen verachtet oder, vergessen zu werden. Es war ein grosser Plan, den Bakunin in seinem Geiste trug, wenn es schon nicht reinlicher Anarchismus war: durch die feste Vereinigung Auserkorener, Namenloser, der Menschheit seinen Willen aufzuzwingen, di© Massen zur befreienden Revolution zu bringen. Ein grosser Zug ging auch durch diese Con-spirationsmethode Bakunins; was heute davon übrig geblieben ist, ist Vereinsspieleroi und Cliquenwirtschaft und allerlei gefährliche Lächerlichkeit.

Bakunin repräsentiert uns eine vergangene Periode: die Zeit dor That. Heute sind wir wissenschaftlicher geworden und die Wenigen scheinen zu verschwinden, die aus dem Gefühl heraus das „Unmögliche" verwirklichen wollen. Die Zeit der That wurde abgelöst von der Zeit der Geschäftigkeit. Viel nette kleine Resultate sind erzielt worden, durch den emsigen Sammeleifer, den man Wissenschaft nennt, und durch die triste Fliegenfängerei, die sie Sozialpolitik nennen. In diese Zeit der Geschäftigkeit und der genügsamen Kleinarbeit scheinen wir jetzt eben erst eingetreten zu sein; es bleibt uns nichts übrig, als die beiden Grundtriobo Bakunins riesengross in uns wachsen und sich mit einander paaren zu lassen: Verachtung des Philisters und Menschenliebe. Was Bakunin und seine Zeit vielleicht etwas vernachlässigt haben, das wird an allen Enden betrieben: es wird gebaut. Es ist notwendig zu bauen, wer wollte os leugnen; es ist abor nebenbei auch so bequem und so ungefährlich, und bietet so viele Schutzhütten für die kleinen Verlaufenen, die irgendwo unterkommen müssen. Es wird gebaut, aber ohne schaffende Lust. Unsere Zeit will nichts davon wissen, dass man gross bauen muss, und dass die grossen Baumeister auch immer die grossen Zerstörer gowesen sind.

Nähere Erläuterungen zu den verschiedenen

angeführten Personen.

August Becker — deutscher Republikaner aus Hessen, spitter Kommunist.

J. Ph. Becker, der bekannte „alte Becker", der durchaus nicht so harmlos und bieder war, wie man uns glauben machen will; Bakunin durchschaute ihn und Lassalle übrigens auch, wie eine veröffentlichte Briefstelle zeigt.

B 61 i n s k i — damals, wie Bakunin, der Wirklichkeit noch fern-stohond, machte er dessen Irrwege im Hegelianismus mehr oder weniger mit und entwickelte sich bald darauf, unabhängig von Bakunin, wie diesor zum Radikalen und Revolutionär; der berühmte russische Kritiker dor Vierziger Jahre, f 1848.

Bluntschli — Professor und Gelehrter auf dem Gebiet des „Völkerrechts", einer der widerlichsten Reaktionäre sein Leben lang.

S. L. Borckheim, 1849er Flüchtling, Kaufmann und Spekulant in London, der gemeinste Beschimpfer der russischen Revolutionäre, ein Freund dor Manschen Klique; Engels schrieb seinen Nachruf.

Gab et — französischer Republikaner, später Verfasser der „Reise nach Ikarien", Urheber des ikarischen Communismus und des Colonieexperiments in Amerika.

Carlo Cafiero, aus Barletta (Unteritalien), wurde zuerst mit der Marx'schen Richtung in der Internationale bekannt (in London); um so schärfer vorwarf er dieselbe, nachdem er deren wirkliches Vorgehen sah und Bakunin kennen lernte. Kr war noch Jahrelang für die italienische Internationale und den Anarchismus thätig (Kongresse von Florenz und Bern, die Bande von Bonevont u. s. w.), bis er einer Geisteskrankheit verfiel (f 1892).

Berti Ca Iura — ein Graveur in Florenz, Demokrat.

Celso Cerretti, Teilnehmer an allen italienischen Befreiungs-kämpfen seit 1850, Garibaldis Kämpfen in Frankreich und der herzegowinischen Insurrektion.

Andrea Costa, aus Imola, damals eifriger Propagandist der Anarchie, seit Ende der 70er Jahre zum Parlamentarismus bekehrt und seitdem meist italienischer Abgeordneter.

Dr. C o u 11 e r y , Arzt und lokaler Politiker im Kanton NeuchStel. *

Dekabristen — die Mitglieder russischer geheimer Gesellschaften, Aristokraten und Offiziere, mit teils constitutionellen, teils republikanischen, föderalistischen und der Befreiung der Bauern sympathischen Zielen; nach Fehlschlagen des Aufstandversuchs im Dezember 182B wurden fünf hingerichtet, darunter

Muravieff— Apostol, ein Verwandter von Bakunins Mutter; viele andere wurden nach Sibirien geschickt, von wo die Ueberlebenden Mitte der fünfziger zurückkehren konnten.

Dolfi — Florentiner Demokrat.

Dembinski — polnischer General der Insurrektion.

Eccarius^Schneider, ein Deutscher in London, einor der ersten theoretischen Anhänger von Marx, eino Zeitlang Generalsekretär der Internationale; spätor trennte er sich von Marx, wie auch Hermann Jung und andere.

Ehrengericht (S. 29). Ueber das Ehrengericht vergl. die Darstellung im „Memoire" der Juraföderation (1873) und die einem Manuskript Bakunins entnommene in der Biographie (Band II). Als Bakunin das Urteil übergeben wurde, dachte er nicht an eine Veröffentlichung dessolbon, sondern reichte Liebknecht die Hand und zündete sich mit dem Dokument eine Cigarette an. Wie ihm Liebknecht diese Grossmut vergalt, ist bekannt; sie steigerte wohl nur seinen Hass.

Varnhagen von Ense — früherer Diplomat, Historiker und Sammler, bekannt durch scino „Tagebücher" u. s.w.; politisch sich etwa wie Turgenoff verhaltend.

d'Entraygnes. Die Thätigkeit der d'Entraygnes und von Heddeghem zeigen die damaligen Prozesso gegen die Internationale in Toulouse und in Paris. Uebor dio Gonfor Internationale liegen erbaulicho Enthüllungen von Franky Candaux vor und der „Volksstaat" selbst gab ihr schliesslich den Eselstritt; was aus ihren Hauptmitgliedern, den H. Perret u. a. wurde, ist ja bekannt. In der New-Yorker Internationale stritt man sich jahrelang und lief zur Polizei klagen (die Richtungen Sorge und Carl u. s. w.). — Nicht e i n nennenswertes Lebenszeichen gab die Marx'sehe Richtung seit dem Haagor Kongress von sich, — es sei denn Schimpfen und Verläumden ihrer Gegner.

Fälschung (S. 22). Dio von Marxgefälschte Stelle lautet in Ueber-setzung: „Die politische Abstention ist eine von Schurken er-fundone Dummheit, um Idioten zu betrügen." Bakunins wirkliche Worte lauten: „Die Gleichheit ohne die Freiheit ist eine ungesunde Fiction, von Schuften gescüaffen, um Dummköpfe zu betrügen."

G. Fanelli — italienischer Revolutionär von 1848 und von Pisa-canes Expedition nach Sapri.

August Folien — oincr der drei Brüdor Folien, Bruder von Karl Folien von den Giessener „Schwarzen", den „Unbedingten"; August Follon war dor am wenigsten Vorgeschrittene der Brüder und damals schon ein Vergessener.

Julius Fröbel — damals Verleger der für Deutschland bestimmten radikalen Literatur, in Zürich und Winterthur; bald mässigte sich sein Eifer, sein Charakter zeigte sich als unzuver-

tv - • • w^!?!^

lässig und er endete als totaler Renegat, erst österreichisches Reptil, zuletzt preussischer Konsul. Garrido — spanischer Republikaner und gemässigter Sozialist. Herzon — durch diesen und seine Frounde ward den jungen russischen Kreisen französischer Geist zugeführt, wie denn Herzen in den Fünfzigern und Anfang der sechsziger der be-X deutendste russische Publicist im allgemein fortschrittlichen

Sinn wurde. (Herausgeber des Londoner und Genfer „Kolokol", der Glocke u. s. w.); + 1870. Moses H e s s , in den 40ern philosophischer Sozialist, dem Anarchismus damals nahe; seitdem gewöhnlicher sozialistischer Journalist, ohne durch etwas hervorzuragen. Heubner — sächsischer Demokrat.

Holyoake — englischer Sozialist und Freidenker, später besonders für die Cooperativbewegung thätig. Victor Jaclard, ein den Blanquisten nahestehender Revolutionär.

N. Joukowski — russischer Flüchtling vom Anfang der 60er Jahr®, besonders bokannt durch seine Thätigkeit in der Internationale von Genf, f 1895. Hermann Jung, Schweizer, Uhrmacher in London, seit Anfang der sechziger für die englische sozialistische Bewegung thätig; im September 1901 in London ermordet. Lapinski — polnischer Offizier; ein echter nationaler Pole ohne sonstige revolutionäre Sympathieen. Seine Expedition versuchte schliesslich auf einem anderen Schiff an der preussischen Küsto nahe der Grenze zu landen, was misslang, und die Polen wurden auf einem schwedischen Kriegsschiff nach England zurückgeschickt.

P. Lawroff, früherer russischer Offizier, radikaler und gemässigt sozialistischer Schriftstellor, später im Exil ein Hauptvertreter der russischen Revolutionäre, gest. 1900. Eines seiner Hauptwerke „Historische Briefe" erschien vor kurzem deutsch. Lelowel — polnischer Revolutionär und Historiker. Pierre Leroux — ein uns heute ganz fernstehender Sozialist

der dreissiger und vierziger Jahre, damals sehr bekannt. L i n t o n — englischer Republikaner.

Anselmo Loronzo, Typograph, Mitglied der spanischen Internationale; seit ihrem Beginn und noch jetzt für die spanische Bewegung thätig, deren Geschichte er vorbereitet. ErricoMalatesta aus S. Maria di Capua, zur Zeit der Commune als jünger Student für die Anarchie gewonnen, die er seitdem 1 bis heute in fast allen Ländern romanischer Zunge propagierte

— Italien und Spanien, in der Emigration in Nord-Amerika, in Kuba und Argentinien u. s. w. Benoit Malon, der Verfasser der „Geschichte des Sozialismus", damals in der französischen Internationale sehr thätig. Der

t

'S Vi

' Ausdruck „Unzuverlässig" "bezieht sich auf sein Benehmen in der „Fraternitä" und seine Beziehungen- zur Clique Utins.

Mazzoni — Florentiner Demokrat; Triumvir der toscanischen provisorischen Regierung von 1848.

Metschnikoff - russischer Emigrant, später Geograph.

Mierosla^yski — polnischer Insurrektionsführer, bekannt u. a. durch den grossen Berliner Polenprozess (1847), seine Teilnahme an der badischon Revolution (1849) etc.

Mro c z k o ws k i (Waleryan), polnischer Revolutionär, gest. 1889.

N a q u e t, der bekannte spätere Deputierte.

Sergei G. Netschajeff, ein junger russischer Lehrer, ein Mann von seltener Fähigkeit, auf andere zu wirken und Alle seinen revolutionären Bestrebungen dienstbar zu machen. Seine Missgriffe und Rücksichtslosigkeiten sind durch die fast allgemeine kritiklose Verurteilung seines Andenkens und durch sein furchtbares persönliches Schicksal mehr als hinreichend „gesühnt", und es wäre an derZeit, ihn ruhiger zu beurteilen.

N. P. Ogareff —- A. Herzens Freund und Genosse, russischer Dichter und Publicist; er stand den Ökonomischen Fragen näher als Herzen, den die aktuollo Politik mehr anzog. Paulo- Pseudonym eines unbekannten spanischen Internationalisten.

"icenzo Pezza, junger Mailänder Internationalist, Redakteur des „Martello"; starb schon 1873. erron, ein Genfer Internationaler, ^escantini — ein Mazzinist, über den mir wenig bekannt ist. etraschevcy — dio politischen Verurteilten aus dem Kreise M. B. Petraschewskis, Opfer der Verfolgungen von 1848 in Russland; teilweise Sozialisten der Richtung Fouriers.

A. Potebnja — russischer Offizier, der schliesslich zur polnischen Insurrektion überging und in einem Gefecht getötot wurde.

Z. R a 11 i (S. 42) schilderte diese Vorgänge (seit 1869) in seinen Memoiren „Gefängnis und Exil" und „Im Exil" (in rumänischer Sprache, 1894 und 1890); vergl. auch dio „Erinnerungen" von V. D. Mokrievitsch (russisch; Paris 1894).

Adolf Reichel — Musiker, in Paris, Dresden, zuletzt Musikdirektor in Bern.

Aristide Hey Junger Republikaner, später Deputierter, gest. 1901.

Paul Robin, Lehrer, in - der Internationale von Brüssel, Genf und Paris sehr thätig; später Direktor des Waisenhauses in Cempuis, wo er viele Unterrichtsreformon (6ducation integrale) verwirklichte und von wo ihn die Klerikalen vertrieben.

Roeckel — Dresdener Musiker, sächsischer Demokrat; seine damaligen Erlebnisse schüderte sein Buch „Sachsens Erhebung und das Zuchthaus zu Waldheim41; f 1876. . •

Rosenkranz — Professor der Philosophie in Königsberg, H*-

r ' gelianer.

Vfe* :-,, •. i

b i c o n e, Pseudonym eines nicht bekannten Internationalisten^^ in der Romagna. • iSB™

nold Rüge — früherer Burschenschafter, dann- ein Haüpt-^J§? Verfechter des radikalen Hegelianismus (Halle'sche bücher u.s.w.); seit Anfang der vierziger Jahre durch _die philosophischen Leistungen Feuerbachs einerseits, den So-cialismus andererseits, in den Hintergrund gedrängt. r-

relio Saffi — Mazzinist.

m

t

\«HI

orge Sand — ihre Romane verkörperten damals eine Zeit lang sozialktsche Ideen; später unterlag sie anderom Einfluss und M^ffi Hess sich selbst mit den Bonapartes ein.

B. von Schweitzer, der bekannte Lassallaner. Damals blühte das gegenseitige Verläumden — dio Lassalleaner wurden preussische, die Anhänger Liebknechts, die späteren Eisenacher, ..hannoversche Agenten genannt usw. Die spätere Einigung der V Parteien in Gotha zeigte, wie gewissenlos man sich Jahre lang so verneint hatte.

p^&iankewitsch — ein junger Russe mit dem lebhaftesten und reinsten Interesse für Philosophie und alle idealen Bestrebungen, der Mittelpunkt einer Gruppe von gleichgesinnten Freunden; er starb wenige Jahre später in Italien an der Schwindsucht. Max Stirner — Verfasser des „Einzigen und sein Eigentum", i der originellsten Schrift des individualistischen Anarchismus.

&L-V': 4*L Stirner's Biographie von John Henry Mackay (1898). jj-^'Talandier — französischer Sozialist.

To 1 ain und Fribourg, Hauptgründer der Pariser Internationale, Vertreter eines aufs äusserste abgeschwächten Proudhonismus, der vor dem revolutionären Kollektivismus bald ganz zurückwich ; nach der Commune erwiesen sie sich als Reactionäro und Tolain starb als Senator.

rgene ff — der bekannte russische Dichter; politisch frei-8innig und in persönlichen Beziehungen mit russischen Re-v°lutionären, doch ohne mit dem offiziellen Russland zu brechen. 'Ü^quhardt — ein englischer Bourgeois, der beinahe alle Leute aller Länder als russische Agenten verdächtigte — eine Haup-quelle der politischen Weisheit Liebknechts, der ihn im Hause P vr^^: V/00 Marx in London kennen lernte; die Methode der gewissen-^-Ä^r^Böjjii. Verleumdung ist Urquhardt, Marx und Liebknecht

gemeinsam.

PÖtiW 'f^ ein reicher russischer Flüchtling, der sich um jeden" % »iPfeia eine Stellung in der revolutionären Bewogung verschaffen | Had als ihm dies nicht gelang, zum widerwärtigsten^-löl, Helfershelfer und Kronzeugen von Marx ii^.; len gegen Bakunin wurde; als er damit nur

erntete, zog er sich zurück und wur<l#/i| mg«lieferant im türkischen Kriege un,4 i

Jahr- - i; „

i' jfcS

"W

»rlin, — Buchbinder, die sympathischste Figur des frans siscben Proletariats in der Blütezeit der Internationale, gflied der Commune, in der Maiwoche in bestialischer W«eJ ; von den Versaillern ermordet, arl Vogt — Naturforscher, Materialist, deutscherRepublikan^ Utarb als Professor in Genf.

Bakunins hauptsächliche Schriften sind angeführt in „Biblij raphie de l'Anarc-hie" par M. Nettlau (Bruxelles, 18* JS. 42—51; vollständiger in der in 50 Exemplaren existieren« Jiographie (1281 SS., London, 1896—1900), die in einigen grosse) Bibliotheken zu finden ist.

Hier erwähne ich nur einige im Buchhandel beflndli< lücher und Broschüren; das meiste übrige ist vergriffen uj selten.

"M. Bakunins sozialpolitischer Briefwech>s it A. J. Herzen und Ogarj.ew,. (St^^rt, Oötta, JVHI, 420 S.S.); auch russisch und französisch (1896).

Oeuvre8. F6d6ralisme, socialisme et An höologisme. Lettros surlePatriotisme. Dieu 'Etat (suite). (Paris, P.-V. Stock, 1895, XL, 826 SS.; neue A^ ^abe 1900.)

Dieu et l'Etat. (Paris, 1893, 100 SS.). La Commune de^Paris et la notion d e V E tj [Paris 1899);

Les Endormeurs (Paris 1900) — von den „TenJ louveaux", 140 rue Mouffetard.zu beziehen;

Mazzini 'e il Socialismo (Imola, 1901). Aus ungedruckten Manuskripten sind Auszüge enthalten •

Ier S oci616 Nouvelle (Brüssel) vom Juli—August 18] [ärz, April 1895, September, November 1896.

MKm;^ 7::r?

* i • ' .r.V *

Druckfehler-Berichtigung.

|. 20, Zeile 17 und 22, lies rSvoluti onnaire. 25, Zeile 9 für Januar lies Herbst. 28 Zeile 6 von unten lies Eccarius. 29, Zeile 14 von unten lies dann.

iokrat; seine ms Erhebung

Königsberg, He-

V

1 V

1  Das betreffend© Kapitel der ausführlichen Biographie ist in „Van Nu en Straks" (Annvorpen, 1808) übersetzt.

2  Als Beispiel, mit welchen Fälschungen Marx gegen Bakunin operiert, erwähne ich daraus die Worte: „L'^galitö sans la libBrtä est malsaino fletion cräöe par les fripons pour

tromper .las sots"; fliese Worte werden in der von Marx verfassten Aflliance-Broschüre p. 85, note (1878) in Ausführungszeichen

citiert als: „L'abstention politique est une ixnb6cilit6 inventGe par lef fourbes pour tromper les idiots.44 — Dies genügt wohl statt weiterer Beispiele!

3  Ebenso aeeeptiert ihn, und stets mehr, der wesentlich unpolitische Instinkt der slawischen Völker. (Anm. des Verfassen.)

4  M ^^